Der nette Junge aus Bielefeld

Mit der Übernahme des Vorstandspostens bei Bertelsmann ist Hartmut Ostrowski an der Spitze des größten deutschen Medienkonzerns angekommen. Ein Medienmann ist er aber nicht FOTO: J. GIRIBAS/IMAGES.DE

Für Hartmut Ostrowski wird es langsam ernst: Kommende Woche wartet das jährliche Management-Meeting von Deutschlands größtem Medienkonzern in der nicht von ungefähr „Kommandantur“ benannten Bertelsmann-Hauptstadt-Repräsentanz auf ihn. Ganz einfach wird es für den nach langer Eingewöhnungszeit nun quasi schon im Amt befindlichen neue Vorstandschef nicht: Die Spielräume des Gütersloher Familienunternehmens sind derzeit nicht eben groß. Und als Mann großer Visionen, die helfen könnten, über ebenjenen Umstand mit etwas gutem Willen hinwegzusehen, gilt Ostrowski nicht gerade.

Schon sein Vorgänger Gunter Thielen war mehr Tüftler denn großer Strategie – und der schon im Januar 2007 bestellte neue Spitzenmann ist eher ein gewiefter Taktiker.

Der 49-Jährige gilt als Thielens Ziehsohn – und steht wie dieser für keine allzu waghalsigen Experimente in der schönen neuen Medienwelt. Wie Thielen zuvor kommt Ostrowski ebenfalls über die Service-Sparte Avarto an die Vorstandsspitze. Dank Avarto entwickelt sich Bertelsmann immer mehr vom klassischen Medienunternehmen zum allgemeinen Dienstleistungsgiganten: Ostrowski verdient für Bertelsmann Geld mit so unaufregenden Dingen wie Katalogdruck, dem Einzug der Hundesteuer und anderer Gebühren in britischen Landkreisen oder dem Versand von Mobiltelefonen.

Unaufgeregt und uneitel kommt er rüber, der bekennende Fußballfan und bedächtige Ostwestfale. „Team“ und „wir“ gehen ihm bislang klar leichter über die Lippen als „ich“. In Interviews finden sich dafür Sätze wie „Stolz ist ein Wort, das ich nicht gern benutze“. Damit passt Ostrowski bestens zur „Wenig Experimente“-Strategie seines Vorgängers – und zu den zumindest formal höchst kollegialen Führungsprinzipien von Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn. „Ich sehe mich nicht als den großen Zampano“, sagt Ostrowski, und das ist auch besser so: Den letzten Zampano an der Bertelsmann-Spitze, den heutigen Karstadt-Chef Thomas Middelhoff, hatte die Konzerneignerfamilie Mohn 2002 in die Wüste gejagt.

Spannend wird nun, wie der serviceorientierte Bielefelder die Medienbereiche des Konzerns bedient: Europas größter Senderverbund, die RTL-Group, soll zur Gänze unter das Bertelsmann-Dach – heute hält man schon 90 Prozent der Anteile. Ganz billig wird das nicht, es ist zudem eher eine defensive Maßnahme als ein Aufbruch zu neuen Ufern. Und: Der Plan wurde gerade nicht von Ostrowski verkündet, sondern fand auf seltsamen Pfaden über das Wall Street Journal Anfang dieser Woche seinen Weg in die Öffentlichkeit. STG