4.000 qm Berlin

KULTURPOLITIK Im geplanten Humboldtforum soll sich die Hauptstadt als weltoffene Metropole feiern

Das Humboldtforum auf dem Berliner Schlossplatz gilt als wichtigstes kulturpolitisches Bauvorhaben des Bunds. 2019 soll auf dem Schlossplatz ein Zentrum der Weltkulturen und -künste eröffnen, mit den außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz als Mittelpunkt. Die architektonische Hülle: eine teilweise Replik des historischen Stadtschlosses mit Kuppel, drei barocken und einer modernen Fassade. Was genau im Schlossinneren aber stattfinden soll, ist noch unklar. Für die Flächen des Landes Berlin, das 5.000 von 55.000 Quadratmetern Nutzfläche bespielen wird, hat Berlins Regierender Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller (SPD) nun eine neue Idee ins Spiel gebracht.

Eigentlich war die Entscheidung schon gefallen: Neben einem Wissenschaftslabor der Humboldt-Universität sollte die Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) mit der Multimedia-Schau „Welt der Sprachen“ einziehen, seit 2011 wird an dem Konzept gearbeitet. Doch am Montag präsentierte Müller plötzlich ein eigenes Konzept: Es heißt „Welt.Stadt.Berlin“ und soll Berlin als „Rom der Zeitgeschichte“ erzählen. Auf der Beletage des Stadtschlosses will man zeigen „wie in den letzten 200 Jahren Berlin die Welt und die Welt Berlin veränderte, in der Kunst, in der Wissenschaft, durch Migration, Krieg und Teilung, Diktatur und Freiheit“.

Berlin als Folie für die große Weltgeschichte. Mit diesem Vorstoß ist dem regierenden Kultursenator ein zweifacher Coup gelungen: Nach 100 Tagen im Amt hat Müller nun einen eigenen kulturpolitischen Akzent gesetzt. Dazu würde eine moderne Berlin-Schau im Humboldtforum ein Problem erledigen, das seit Jahren unlösbar scheint: Bis heute hat die Hauptstadt kein Museum, das die Lokalgeschichte zeitgenössisch präsentiert.

Dass Müllers Lösung Charme hätte, finden in Berlin viele, sogar ehemalige Befürworter der Bibliotheksnutzung. Die „Welt der Sprachen“, von Fachleuten gelobt, blieb stets etwas blass. Von der Berlin-Ausstellung verspricht man sich Glamour und frischen Wind für das Projekt Humboldtforum, das bisher allenfalls wegen der umstrittenen Barockfassade im Gespräch war. Manfred Rettig, Vorsitzender der Bauherrin Stiftung Humboldtforum, zeigte sich Mitte der Woche nachgerade erleichtert von der Anschaulichkeit der Berlin-Ausstellung – allerdings erst, nachdem Müller ihm glaubhaft versichern konnte, dass keinerlei Bauverzögerungen oder Mehrkosten entstünden.

Trotzdem verwundet der breite Zuspruch für Müllers Idee. Denn das hastig ausgearbeitete Konzept von acht Seiten Umfang, ist nicht gerade tiefschürfend. Berlin als Stadt der Vielfalt, als Motor der Innovation „erzählen“? Klingt nach Stadtmarketing. Dass mit der Ausarbeitung einer ersten Sonderausstellung die landeseigene „Kulturprojekte Berlin GmbH“ beauftragt sind, die Events wie das Mauerfalljubiläum betreuen, verstärkt diesen Eindruck. Berlin als Nabel der Welt – das könnte auch nach hinten losgehen. „Müllers Heimatmuseum“ ätzen schon die oppositionellen Grünen. Und es ist ja auch nicht unmittelbar einleuchtend, warum in einem Haus, das sich dem Dialog mit den außereuropäischen Kulturen verpflichtet, Berlin so viel Raum einnimmt.

Im Erdgeschoss des Neubaus wird eine Dauerausstellung die Geschichte des Schlossplatzes zeigen. Und in den „archäologischen Kellern“ können Besucher die Fundamente des alten Stadtschlosses erkunden. 5.750 Quadratmeter, die um Berlin und seine Geschichte kreisen – wie passt das zusammen mit der globalen Perspektive, die man im Humboldtforum einnehmen will, und mit der postulierten Abkehr von der eurozentristischen Perspektive? Im oft als Vorbild genannten Musée du quai Branly wäre eine Etage zur Pariser Geschichte undenkbar. Andererseits war Deutschland als Kolonialmacht so unbedeutend, dass man durchaus erklären muss, warum die außereuropäischen Sammlungen so reichhaltig sind und mitten in Berlin gezeigt werden. Auf Müllers Idee lastet nun ein ungeheurer Druck – davon, wie die „Welt.Stadt.Berlin“ sich auf dem Schlossplatz präsentiert, wird abhängen, wie ernst das Humboldtforum als Ort des globalen Dialogs genommen wird. NINA APIN