Herkunft sagt mehr als jedes Label

Der Ökostrommarkt ist unübersichtlich. Wer wirklich Alternativen zu den etablierten Konzernen sucht, sollte einen Anbieter aus dem Quartett der Unabhängigen wählen: Lichtblick, Elektrizitätswerke Schönau, Greenpeace Energy und Naturstrom

VON BERNWARD JANZING

Bei Ökostromversorgern boomt es. Die Kundenzahlen entwickeln sich mitunter mehr als doppelt so schnell wie noch Anfang des Jahres prognostiziert. Der Marktführer, Lichtblick aus Hamburger, hat inzwischen mehr als 380.000 Stromkunden unter Vertrag, und die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) haben ihre Kundenzahl seit Jahresbeginn auf über 63.000 fast verdoppelt.

Wer Ökostrom beziehen will, steht nun vor der Frage, welcher der vier bundesweiten Anbieter denn eigentlich der beste ist. Neben Lichtblick und EWS gehören Greenpeace Energy und Naturstrom zum Quartett der Alternativstromer.

Manche Unternehmen stellen Ökostromlabel in den Vordergrund, um ihre Energie anzupreisen. Deren Vielfalt ist jedoch verwirrend: Da gibt es zum Beispiel das ok_Power-Label, das durch den EnergieVision e. V. vergeben wird; dahinter stehen das Öko-Institut, der WWF und die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Konkurrierend dazu vergibt Grüner Strom Label e. V. (GSL) eine Auszeichnung in Gold und Silber. Dazu gehören unter anderem der Nabu, der BUND und Eurosolar. Des Weiteren kürt das Öko-Institut ausgewählte Angebote in seinen EcoTop-Ten. Und schließlich vergeben auch noch verschiedene TÜVs ihre individuellen Gütesiegel für Ökostrom.

Ursache der verwirrenden und damit wenig kundenfreundlichen Labelvielfalt ist ein Glaubenskampf in der Branche über die Frage, was Ökostrom eigentlich ist. Will man ausschließlich aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom zertifizieren oder auch den aus effizienten, aber fossil befeuerten Blockheizkraftwerken (BHKW)? Will man nur den Strom neuer Kraftwerke auszeichnen oder ebenso die in einem hundert Jahre alten Wasserkraftwerk erzeugte Energie? Muss Ökostrom dezentral erzeugt werden, oder sind auch Großanlagen akzeptabel? Kann jemand das Öko-Logo bekommen, der zugleich mit Atomstrom handelt oder mit Atomfirmen verflochten ist?

Im Sinne der Kunden ist diese Debatte kaum – und so sollte man die ganzen Labels getrost vergessen. Stattdessen sollten Kunden sich ihren Stromversorger danach aussuchen, welche ökologische Glaubwürdigkeit er mitbringt. Bei Greenpeace Energy steht der Name Greenpeace für eine Firmenhistorie, und auch hinter Naturstrom stehen mehrere Umweltverbände. Die EWS gingen aus einer Anti-Atomkraft-Bürgerinitiative hervor, die nach einem einmaligen Kampf gegen die etablierte Stromwirtschaft ihr örtliches Stromnetz aufkaufte. Sie machen seit 15 Jahren bundesweit als „Stromrebellen“ Schlagzeilen. Und Lichtblick hat als größter unabhängiger Ökostromer im Kampf gegen die Altmonopolisten – auch auf dem Gerichtsweg – viel für die Marktliberalisierung bewirkt.

Die mitunter kursierende Befürchtung, es könnte bei weiterhin rasantem Wachstum der Kundenzahlen einen Mangel an Ökostrom geben, ist jedoch abwegig. „Das Angebot wächst immer noch stärker als die Nachfrage“, heißt es bei Greenpeace Energy. Der Hamburger Ökoanbieter deckt seinen Bedarf großenteils aus dänischer Windkraft sowie aus Wasserkraft, Biomasse und Photovoltaik aus Österreich.

„Wenn ganz Baden-Württemberg plötzlich von uns Strom haben wollte, müsste es natürlich eine Warteliste geben“, sagt EWS-Geschäftsführerin Ursula Sladek. Doch davon ist man auch in den aktuellen Boomzeiten noch weit entfernt: „Wir werden auch weiterhin alle benötigten Mengen am Markt einkaufen können.“ Die EWS beziehen unter anderem kommunale norwegische Wasserkraft.

Oliver Hummel vom Anbieter Naturstrom hat einen anschaulichen Vergleich parat: „Wenn alle Leute plötzlich das Auto stehen ließen und auf die Bahn umsteigen wollten, hätte die Bahn auch nicht genug Waggons.“ Da der gleichzeitige Umstieg aller Stromkunden ebenso unwahrscheinlich sei, sei auch bei enormem Kundenwachstum „keine Knappheit in Sicht“. Naturstrom bezieht große Teile seines Stroms – zumeist Wasserkraft – aus Österreich, der Schweiz, Norditalien und Norwegen.

Lichtblick bezahlt Lieferanten sogar eine Optionsprämie, um auch bei weiterhin boomendem Geschäft genug Strom kurzfristig geliefert zu bekommen. Man habe etwa ein Dutzend Partner, darunter Lieferanten in Österreich, der Schweiz und Skandinavien, sagt Geschäftsführer Heiko von Tschischwitz: „Probleme bei der Beschaffung werden wir nicht kriegen, weil wir entsprechend dem Kundenzuwachs auch neue Kraftwerke langfristig unter Vertrag nehmen.“ Im laufenden Jahr beziehe Lichtblick einen Großteil des Stroms aus einem Biomasse-Heizkraftwerk in Sachsen-Anhalt mit mehr als 100 Megawatt Leistung.

Ökostromanbieter im Überblick: www.verivox.de, www.tarifvergleich.de, www.wer-ist-billiger.com, www.steckdose.de, www.stromauskunft.de