: Sex und Vorurteil
Doku Film (23.30 Uhr, ARD) zu Strauss-Kahn
Was haben Dominique Strauss-Kahn, Silvio Berlusconi und Mosche Katzav gemeinsam? Das ausschweifende Sexleben der drei Senioren ist in der jüngsten Vergangenheit justiziabel geworden. Alle drei waren zuvor in Ländern mit einer jeweils sehr spezifischen machistischen Tradition zu politischer Macht gelangt, ihnen ist die Macht möglicherweise zu Kopf gestiegen, ihre Geilheit ebenso.
Der frühere israelische Staatspräsident Mosche Katzav hat in der vergangenen Woche eine siebenjährige Haftstrafe wegen Vergewaltigung antreten müssen. Er ist damit der bislang einzige Verurteilte unter den prominenten Verdächtigen. Strauss-Kahn ist strafrechtlich wohl aus dem Schneider, Berlusconi – der Cavaliere mit den Micrografts hat seinen Kopf schon öfter aus der Schlinge gezogen … Man darf gespannt sein.
Aber um Petitessen juristischer Art und eine von der Unschuldsvermutung gebotene Zurückhaltung in der journalistischen Berichterstattung sorgt sich der Film von Michael Wech für Stephan Lambys ECO Media ohnehin nicht allzu sehr. Das mit dem fernsehtypisch dick auftragend reißerischen Titel „Staatsaffären um Sex und Macht“ gemachte Versprechen soll eingelöst werden. So tönt es aus dem Off: „Es ist ein Machtkampf. Strauss-Kahn kämpft dafür, recht zu bekommen. Das Zimmermädchen will Gerechtigkeit.“
Das klingt differenziert und ist das Gegenteil. Solche wohlfeilen journalistischen (Vor-)Verurteilungen kennt man aus dem Kachelmann-Prozess und aus der Feder der Gerichtsreporterin Alice Schwarzer.
Sie sind im Falle einer TV-Dokumentation besonders ärgerlich, sollte doch der mündige Zuschauer selbst in der Lage sein, die Einlassungen von Wechs immerhin 13 Interviewpartnern zu bewerten. Denn natürlich ist das Leumundszeugnis, das der bekennende Lebemann Jack Lang seinem Kumpel Strauss-Kahn ausstellt, ungefähr so viel wert wie das Alibi eines Mafiabosses für den anderen. Jens Müller
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