Was wusste Bush?

Der US-Geheimdienstbericht über Irans Atomwaffen löst neue Debatte in den USA über Bushs Glaubwürdigkeit aus

WASHINGTON taz ■ US-Außenministerin Condoleezza Rice kann aufatmen. Noch zu Wochenbeginn hatte die Regierung des US-Präsidenten George W. Bush befürchten müssen, dass nach dem Geheimdienstbericht über Irans Atomprogramm nun die westliche Drohkulisse gegenüber Teheran zusammenbrechen könnte.

In einer am Montag veröffentlichten Einschätzung hatten die US-Geheimdienste festgestellt, dass der Iran sein Programm zum Bau von Atomwaffen bereits Ende 2003 unterbrochen habe. Die iranische Regierung sei offenbar wegen des starken internationalen Drucks inzwischen „weniger entschlossen“, ein Nukleararsenal aufzubauen, hieß es in dem Bericht.

Dennoch versicherten Nato und EU der nach Brüssel gereisten US-Ministerin Rice am Donnerstag ihre unveränderte Unterstützung. Alle seien sich einig, dass die derzeitige Haltung nicht verändert werden dürfe, sagte der belgische Außenminister Karel De Gucht nach einem Treffen der Nato- und EU-Außenminister. Die USA streben zusammen mit Großbritannien und Frankreich eine dritte UN-Resolution an, mit der die Sanktionen gegen den Iran noch einmal ausgeweitet werden sollen.

Unterdessen ging in Washington die erhitzte Debatte darüber weiter, wann Präsident Bush über die Erkenntnisse der 16 US-Geheimdienste informiert worden war. Die Nachrichtendienste wollen die Informationen über die internen Vorgänge im Iran im letzten Sommer erhalten haben. Laut Medienangaben beruhen die Erkenntnisse zum Teil auf Aufzeichnungen über interne Besprechungen des iranischen Militärs. Demnach waren die Militärs in Teheran über die Entscheidung ihrer Regierung aufgebracht, das Waffenprogramm und die Entwicklung von nuklearen Gefechtsköpfen zu beenden. Warum das Atomwaffenprogramm gestoppt wurde, sei nicht klar.

Nach offizieller Darstellung soll Bush bereits im Spätsommer von den neuen Geheimdiensterkenntnissen über den Stopp des iranischen Atomprogramms erfahren haben. Geheimdienstchef Mike McConnell habe Bush im August davon unterrichtet, dass Teheran sein Atomwaffenprogramm ausgesetzt habe, sagte Präsidentensprecherin Dana Perino. Aber noch Ende August hatte Bush vor einem „nuklearen Holocaust“ gewarnt, der vom Iran ausgehen könne, wenn dieser die Atombombe habe. Und am 17. Oktober warnte Bush erneut vor einem atomar bewaffneten Iran, von dem die Gefahr eines dritten Weltkriegs ausgehe. Vorwürfen, er habe wider besseres Wissen übertrieben, begegnet Bush mit der Behauptung, erst Ende November von den neuen Geheimdienst-Erkenntnissen erfahren zu haben. Gefragt, wie es zu der unterschiedlichen Darstellung Bushs und seiner Sprecherin komme, antwortete Perino am Donnerstag, dass „der Präsident genauer in seiner Wortwahl hätte sein müssen. Aber er hat die Wahrheit gesagt.“

ADRIENNE WOLTERSDORF

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