Warten auf den „Künstler“

Im Schauspiel des Bremer Theaters dominiert unter neuer Leitung solides Programm ohne Highlights. Überregionale Ausstrahlung geht bislang nur von der Oper aus. Eine Zwischenbilanz

von Jan Zier

Es geht immer nur um eins, sagt Hans-Joachim Frey: Publikum zu gewinnen. Neues, vor allem. Gemessen daran war der neue Generalintendant des Bremer Theaters bislang erfolgreich. Seit seinem Amtsantritt, sagt er, kamen 6.000 ZuschauerInnen mehr als im Vorjahres-Vergleichszeitraum. Ein Schritt hin zu dem, was er eine „Premiummarke“ nennt. Und das, obwohl das jetzt mit der Vorsilbe „Neu“ versehene Schauspielhaus zu Saisonbeginn noch im Umbau begriffen war.

Tennessee Williams’ „Katze auf dem heißen Blechdach“ ist regelmäßig ausverkauft, die Oper „Nabucco“ auch. Die zwei Wiederaufnahmen im Musiktheater indes nicht, und auch der „Tell“ des neuen Hausregisseurs Christian Pade läuft nicht ganz so gut. Der kam auch in der Kritik etwas schlecht weg. Auch intern gab es ein wenig Unruhe. Die schauspielerisch untadelige Inszenierung ist am Ende zu wenig sinnlich, zu halbherzig modernisiert, zu sehr auf die Sprache Schillers reduziert.

Am Samstag nun hatte Oscar Wildes erfolgreichste Arbeit „Bunbury – The Importance of Being Earnest“ Premiere, ein Stück, ebenso massenkompatibel und oft gespielt wie jenes von Williams, angekündigt als „amüsant-charmante Komödie“. Es ist eine Liebes- und Verwechslungsgeschichte aus viktorianischen Gesellschaftszeiten, ein Spiel um Schein und Sein. Der Abend entpuppte sich als witzige, als kurzweilige Unterhaltung im besten Sinne, gut gespielt, sicher nicht intellektuell tiefschürfend, aber das war auch nicht zu erwarten.

Eher schon vom „Vorspiel“ des jungen ungarischen Dramatikers Csaba Mikó, das am vergangenen Donnerstag im Brauhauskeller uraufgeführt wurde. Doch in diesem Falle obsiegte eher die solide Aufführung über das kraftlose Stück. „Es wurde uns angeboten“, sagt Frey, und irgendwie passte es auch in den Länderschwerpunkt Ungarn. Aber die etwas misanthropische Geschichte ist ein wenig wirr und nur mäßig spannend. Die als „Erinnerungssinfonie“ apostrophierten stetigen Wiederholungen sind anstrengend, der Versuch, Krimiplot und Existenzialismus zu vereinen, misslungen.

Im Februar steht noch eine Uraufführung an, der „Künstler“ des mittlerweile 81-jährigen Dramatikers Tankred Dorst, die Geschichte des Malers Johann Heinrich Vogeler. Inszenieren wird sie Christian Pade, der damit eine neue Gelegenheit erhält, sich das Bremer Publikum gewogen zu machen. Und anders als die Stücke von Wilde und Williams, anders auch als der Tell wird Dorsts Premiere in Bremen wohl auch überregional Beachtung finden.

Bislang hat Freys Schauspiel in den überregionalen Feuilletons noch wenig Nachhall gefunden. Bei der Oper sieht es anders aus. Aber Frey kam ja auch schließlich als Direktor der Dresdner Semper Oper nach Bremen. Ligetis „Le Grand Macabre“ etwa wurden allenthalben gefeiert, das weitere Opernpremieren-Programm mit Vorschusslorbeeren bedacht. Doch im Archiv der Frankfurter Allgemeinen Zeitung beispielsweise findet sich keine Theaterrezension, ebenso wenig in der Zeit oder im Fachblatt Theater Heute. Natürlich ist es wichtig, „wahrgenommen zu werden“, sagt Frey dann, aber in erster Linie will er doch das „bisher vernachlässigte“ Umland von Bremen gewinnen. Er ist keiner, der wie sein Vorgänger Klaus Pierwoß Strichlisten führt, welche Bremer Politiker wie oft im Theater sitzen. Es wäre ohnehin eine kurze Liste.