„Wir wollen keinen Streik“

DEMONSTRATION Gewerkschaft IG BCE fordert höhere Löhne in der Chemieindustrie. Der gehe es gut

■ 49, ist Landesbezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie in Nord.  FOTO: MICHAEL CINTULA

taz: Herr Becker, erstmals seit 1971 erwägt es Ihre Gewerkschaft, die IG Bergbau Chemie Energie, in den Streik zu gehen. Warum?

Ralf Becker: Die Positionen auf der Seite der Arbeitgeber und unsere sind so weit auseinander, dass im Moment viel Fantasie dazugehört, dass wir noch eine Einigung hinbekommen. Deswegen dürfen wir nicht außen vor lassen, was Gewerkschaften letzten Endes auch tun können, um die Gleichheit der Kräfte wieder herzustellen, und das ist ein Arbeitskampf.

Was sind Ihre zentralen Forderungen?

Eine spürbare Entgelterhöhung zu erreichen: Wir haben 4,8 Prozent gefordert, 60 Euro pauschal für Auszubildende. Außerdem wollen wir, dass die Tarifverträge zur Begleitung der demographischen Entwicklung weiterentwickelt werden, um letztendlich auch die Menschen, die in den Betrieben arbeiten, länger arbeitsfähig zu erhalten.

Rechnen Sie in diesem Jahr mit steigenden Umsätzen in der Chemieindustrie?

Der chemischen Industrie geht es in Deutschland momentan relativ gut. Die Umsätze steigen, die Auftragsbücher sind voll. Wir sehen nicht die Argumentation bestätigt, die die Arbeitgeber vorbringen, dass es kein Wachstum gab, keine Produktivitätssteigerung und deswegen nichts zu verteilen ist.

Ist die Tarifrunde kontroverser als in der Vergangenheit?

Ja, erheblich kontroverser, weil sich die Arbeitgeber auf Spielchen eingelassen haben. Das heißt so viel wie: Wir haben nichts zu verteilen. Während der letzten Tarifrunde war es in meinen Augen eine Provokation ohnegleichen, uns auf 1,6 Prozent in 15 Monaten abspeisen zu wollen. Das ist ein respektloses Missachten jeglicher Darstellung der tatsächlichen Situation und das hat mit Sozialpartnerschaft sehr wenig zu tun.

Wann entscheiden Sie, ob Sie in den Streik gehen?

Wir werden uns am Ende der Woche in Stuttgart treffen und dort versuchen, auch auf dem normalen Verhandlungsweg zu einem Ergebnis zu kommen. Das ist unser klares Ziel. Wir wollen keinen Arbeitskampf in den Betrieben haben und wir wollen keinen Streik durchführen. Aber wir wollen schon, dass die Arbeitgeber geradlinig auf uns zukommen, um wirklich mit uns darüber zu diskutieren. Wenn das in freien Verhandlungen nicht geht, werden wir in den Arbeitskampf ziehen müssen. INTERVIEW: VAR

Demonstration: 17.30 Uhr, Heidi-Kabel-Platz am Hauptbahnhof