DEUTSCH-SOWJETISCHES
: In der Teestube

Emotionslos rattert er herunter, was zur Teezeremonie gehört

Ich war noch nie in der tadschikischen Teestube im Palais am Festungsgraben, die Erich Honecker mal von der UdSSR geschenkt bekam. An einem Samstagabend war ich mit einem Freund im Zeughauskino und habe den wunderbaren Film „Moskau glaubt den Tränen nicht“ gesehen. Weil auch er noch nie in der Teestube war, war schnell klar, wo wir über den Film und andere Dinge des Lebens reden würden.

Prächtig sieht das Palais, früher Sitz der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetischen Freundschaft, noch immer aus – von außen. Innen hockt ein griesgrämiger Pförtner, bröckelt hier und da der Putz von den Wänden, rostet die ein oder andere Heizung vor sich hin, weisen Schilder „Teestube Zimmer 117“ den Weg. In der ersten Etage stellen wir unsere Schuhe zu denen, die bereits vor einem Garderobenständer liegen, und betreten einen Raum, der mit Teppichen ausgelegt und einer geschnitzten Holzdecke geschmückt ist. Es weht ein Hauch von abgestandener deutsch-sowjetischer Freundschaft durch die Stube.

Statt einer Kellnerin in tadschikischer Tracht bedient uns ein junger Mann in Jeans und T-Shirt, den wir aufgrund seines Aussehens und Akzents Südamerika zuordnen. Emotionslos rattert er herunter, was zur „russischen Teezeremonie“ gehört. Ein Samowar mit Teekanne, Marmelade, eingelegte Rosinen, getrocknete Orangenstückchen, zwei Gläser Wodka. Wir erfahren, dass die Tadschiken keinen Zucker in den Tee tun. Aha.

Es ist lustig, an niedrigen Tischen auf dem Boden zu sitzen. Den Rest trinken wir uns mit Wodka schön. Weniger lustig ist der Kellner. Er sitzt entweder flirtend bei zwei jungen Frauen am Nebentisch oder vergisst unsere Bestellung. Zwei Stunden und ein halbe Flasche Wodka später ziehen wir unsere Schuhe wieder an. Eins der Mädchen vom Nachbartisch verabschiedet sich mit einem „Hasta luego“ vom Kellner. BARBARA BOLLWAHN