Mehr als nur Almosen

INTEGRATION Die Deutsche Fußball-Liga will das Engagement für Flüchtlinge nachhaltiger gestalten. Bislang setzen die Bundesligisten vor allem auf die Vergabe von Freikarten

Die Profiklubs haben nun die Chance, initiativ und nicht nur auf Anregung der Fans tätig zu werden

VON DAVID JORAM

Der VfB Stuttgart zeigte am sogenannten „Integrationsspieltag“ eine doppelt reife Leistung. 400 Flüchtlinge sahen auf Einladung des Vereins hin einen 3:1-Sieg gegen Eintracht Frankfurt. Eine nette Geste. Noch viel seltener aber sind nachhaltige Initiativen für Flüchtlinge, weil das Engagement der Millionenbranche Fußball in engen Grenzen verläuft. Das soll sich nun ändern.

Während der DFB symbolpolitisch aktiv ist, setzt die Bundesliga-Stiftung der DFL auf Professionalität. Am 15. März hat man deshalb die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) kontaktiert. Sie soll dabei helfen, „Willkommensbündnisse“ zu initiieren – unter Einbeziehung von mindestens 15, bestenfalls 20 Profiklubs. Stefan Kiefer, Vorstandsvorsitzender der Bundesliga-Stiftung, hat bereits positive Signale von 17 Vereinen erhalten. Er sagt: „Es gibt klare Projektskizzen. Zusammen mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung werden sich die Profiklubs engagieren. Durch den Aufbau individueller Strukturen soll den unterschiedlichen Bedürfnissen vor Ort Rechnung getragen werden.“ Wie das dann konkret aussehen soll, ist derzeit Verhandlungssache. Ende Mai, Anfang Juni werden Ergebnisse erwartet.

Die Aushängeschilder sind sich jedenfalls ihrer Verantwortung bewusst, wie das Beispiel HSV zeigt. Beim jüngsten Freitagabendspiel gegen Berlin durften Kinder aus der Hamburger Region und Flüchtlingskinder Seite an Seite mit den Profis einlaufen. Einer Mutter gefiel das überhaupt nicht. Sie meldete sich beim Verein und bat darum, keine Fotos zu schießen, die ihr Kind neben einem Flüchtlingskind zeigten. Die HSV-Antwort: Dann solle das Kind der wenig weltoffenen Frau eben nicht mit einlaufen.

Die DKJS kann also auf einer soliden Grundlage aufbauen, Bewusstsein und Offenheit für die Thematik sind vielerorts vorhanden, Ressourcen ebenso. Werder Bremen beschäftigt allein zwölf Mitarbeiter im CSR-Bereich. CSR steht für „Corporate Social Responsibility“, was so viel bedeutet wie „Unternehmerische Sozialverantwortung“. Die DKJS-Aufgabe besteht nun darin, das Potenzial des Profifußballs abzurufen. 1,05 Millionen Euro hat sie dafür bereitgestellt bekommen. „Wir werden das Ganze moderieren und die Ressourcen zusammenlegen. Eine Initiative kann aus mehreren Einrichtungen bestehen. Profiklub, Amateurverein, Jugendhilfe und Schule beispielsweise. Jeder Akteur sollte in einer Steuergruppe vertreten sein, die wir moderieren werden. So können Synergieeffekte entstehen“, sagt Judith Strohm. „Verantwortung wagen“, heißt der unter ihrer Leitung stehende Bereich, dessen Name prima zu einer echten Integrationsinitiative passt. Um Verantwortung geht es schließlich. Deshalb will Strohm mit den Profiklubs Absichtserklärungen abschließen, dann sei vieles denkbar. Trainings- und Platzangebote etwa, die Bereitstellung materieller Güter, regelmäßige Turniere oder Stadterkundungen. 11.500 Euro stehen pro Initiative für die ersten beiden Jahre zur Verfügung. Und mit den Profiklubs hat jedes Bündnis einen potenziellen Großsponsor an Bord, der durchaus in der Lage ist, mehr beizusteuern. Am Ende hängt es auch davon ab, wie umfänglich sich die Avantgarde des Fußballs für einen nachhaltig integrativen Prozess einsetzen will.

Bislang mussten Flüchtlinge jedenfalls mit weniger zufrieden sein. Freikarten beispielsweise. Unangefochtener Spitzenreiter ist in dieser Kategorie übrigens ein Zweitligist. Am 1. November hieß der 1. FC Nürnberg 3.500 Flüchtlinge zum Heimspiel gegen St. Pauli willkommen. Weitere Beispiele gibt es zuhauf, auch in der Bundesliga. Augsburg lud alle Flüchtlinge aus Stadt und Region zum Heimspiel gegen Hoffenheim ein, rund 1.000 kamen. Wolfsburg ermöglichte 500 Flüchtlingen einen Stadionbesuch im Vorbereitungsspiel gegen den KSC. Nach dem Gießkannenprinzip verfährt Mainz 05. Die Rheinhessen geben regelmäßig rund 20 bis 30 Tickets an Flüchtlingsunterkünfte aus, gegen den SC Freiburg waren es gar 250, eine Sonderaktion. In Hoffenheim verfährt man ähnlich, wenngleich nicht immer alles nach Plan läuft. Eine Lokalzeitung bat um Tickets, die der Verein auch bewilligte. Nur durften die in Hessen aufgenommenen Flüchtlinge „ihr“ Bundesland nicht verlassen. Seither wissen sie: Hoffenheim liegt in Baden-Württemberg. Erfolgreicher war der Mönchengladbacher Fanklub „Arbeitsgemeinschaft Qualitätsfußball“. 25 Flüchtlingen verhalf man zu einem Stadionbesuch im Borussia-Park. „Wir wollten den Flüchtlingen einfach eine Freude machen und sie einladen“, erzählt Mitglied Philipp Müllers. Das bekam der WDR mit, der wiederum den Verein informierte. Dieser gewährte sowohl den Flüchtlingen als auch dem Fanklub freien Einlass.

Tatsächlich sind es häufig Fußballfans, die den Anstoß geben. Beispiel Freiburg: Im Rahmen der Tatort-Stadion-Ausstellung organisierten das Fanprojekt und die Corillo Ultras ein Fußballturnier, an dem sich auch zwei Mannschaften mit minderjährigen Flüchtlingen beteiligten. Flugs fanden zwei von ihnen den Weg in die Gruppierung. Seither stattet sie der Sport-Club mit Tickets aus, die Fahrtkosten für Auswärtsspiele tragen die Corillos.

Beispiel Dortmund: In der Ruhr-Metropole sind Flüchtlinge „ein zentrales Thema. Auch, weil es leider eine aktive rechtsradikale Szene gibt, die gegen Flüchtlinge ist“, sagt Jens Weber. Er gehört der Initiative Flutlicht an, die bislang eng mit dem BVB kooperiert. „Der Draht zum Manager der BVB-Stiftung ‚Leuchte auf‘ ist gut, da haben wir sehr positive Erfahrungen gemacht“, erzählt Weber. Die Resonanz sei groß, egal ob beim „Refugees-Welcome-Cup“ – für den der BVB Bälle, Trainingsbekleidung und Fanartikel zur Verfügung stellte – einer Kleiderspende-Aktion an Weihnachten oder Erlebnistouren durchs Westfalenstadion. Das alles sind erste Schritte. Im Dialog mit dem DKJS haben die Profiklubs nun die Chance, initiativ und nicht nur auf Anregung der Fans tätig zu werden.