Schlachten ohne Schlachter

Der Gammelfleischverdacht bei Heidemark ist zunächst vom Tisch. Bleiben noch mehrere Arbeitsrechtsverfahren – in nur wenigen Monaten wurde die Belegschaft auf eine Größe reduziert, die die Freistellung eines Betriebsrates verhindert

Nach den Gammelfleisch-Vorwürfen stellt das Bundesverbraucherministerium die Pläne für besseren Informantenschutz infrage. „Wenn ehemalige Mitarbeiter Heidemark anschwärzen, ohne dass da etwas geschehen ist, dann ist das Projekt für uns politisch fraglich“, sagte die Parlamentarische Verbraucherstaatssekretärin Ursula Heinen (CDU). Geplant war, Tippgeber bei Lebensmittelskandalen vor Entlassung zu schützen. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) dringt weiter auf mehr Schutz von Informanten. „Das würde nämlich die Hemmschwelle erhöhen“, sagte der Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg. Er betonte: „Wir wollen nicht, dass die Beschäftigten zu Denunzianten werden.“ Er sehe die Vorwürfe der ehemaligen Heidemark-Mitarbeiter, die von Gammelfleisch aus Polen gesprochen hatten, als glaubwürdig an. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hatte Proben untersucht, die nicht aus Polen stammten.  DPA/TAZ

VON GRIT BEECKEN

Der niedersächsische Fleischlieferant Heidemark setzt sich gegen die Gammelfleischvorwürfe juristisch zur Wehr. „Wir haben Strafanzeige gegen drei frühere Mitarbeiter erstattet wegen Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen und Verleumdung“, sagte Sprecher Walter Scheuerl gestern. Die drei hatten Heidemark vorgeworfen, vergammeltes Fleisch aus Polen verarbeitet zu haben. Inzwischen wurden untersuchte Proben für einwandfrei befunden. Den Anschuldigungen der drei Männer ging indes eine Kündigungswelle bei Heidemark voran.

Unangekündigt und mit Anwalt war Heidemark-Geschäftsführer Herbert Paschertz am 30. Juni 2007 zur Betriebsversammlung erschienen. Die Belegschaft bereitete an diesem Tag die erste Betriebsratswahl in der Unternehmensgeschichte vor. „Die Anwesenheit der Unternehmensleitung bei solchen Veranstaltungen ist absolut unüblich“, sagte Matthias Brümmer, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Oldenburg. Am 31. Juli reichte die NGG Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg ein – wegen „aktiver Behinderung“ der Betriebsratswahl.

Bereits am 3. Juli hatte Heidemark 230 Mitarbeitern gekündigt und weitere 108 Kräfte ausgegliedert. Zu dieser Zeit kündigte das Unternehmen – das die Kündigungen als betriebsbedingt bezeichnet – gleichzeitig eine Ausweitung des Geschäfts an. Daher klagten die entlassenen Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht Oldenburg, das nun entscheiden soll, ob die Kündigungen rechtens sind. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich das Gericht laut einem Prozessbeobachter intensiv mit der Gesamtzahl der Heidemark-Mitarbeiter. So habe die zuständige Richterin am 28.11. zweimal nachgefragt, wie viele Mitarbeiter das Unternehmen behalten hätte. Vermutlich versucht sie den Zusammenhang von Produktionsausweitung und Personalabbau einzuordnen. Die Heidemark-Leitung antwortete dem Gericht, man beschäftige gar keine Mitarbeiter mehr in der Produktion, die habe man alle ausgegliedert. Der Fleischlieferant besteht demnach nur noch aus einer kaufmännischen Belegschaft von etwas unter 100 Mitarbeitern. In einem Unternehmen dieser Größe wird kein Betriebsrat von der Arbeit freigestellt. Gegenüber der taz nahm die Firma Heidemark zu diesen Sachverhalten trotz mehrmaliger Nachfrage innerhalb von 34 Stunden keine Stellung.

Die ausgegliederten Mitarbeiter arbeiten nach NGG-Angaben jetzt bei diversen kleineren Unternehmen. Eines davon sei die Firma HMC aus dem niedersächsischen Cappeln. Gegründet am 23.12.2004 habe HMC bis zum 10.07.2007 als Ein-Mann-Betrieb gearbeitet. Nun sei dort eine nicht unerhebliche Anzahl ehemaliger Heidemark-Mitarbeiter untergekommen. HMC-Geschäftsführer Martin Willenborg stand für ein Gespräch mit der taz nicht zur Verfügung, dafür habe er keine Zeit. Auch der Bürgermeister aus Garrel, der sich vergangene Woche hinter Heidemark gestellt hatte, wollte diese Geschäftspolitik nicht kommentieren: „Ich sage gar nichts mehr.“

Heidemark will auch an anderer Stelle sparen. Das Unternehmen kündigte den Bau einer eigenen Kläranlage an – um sich der Abwasserbeseitigungskosten zu entledigen. Gereinigtes Abwasser solle künftig aus der firmeneigenen Anlage über die Lethe durch Naturschutzgebiete abgeleitet werden. Dagegen wehrten sich Naturschützer: Auch in gereinigtem Abwasser verblieben Reststoffe, die zu einer Verschlammung der Ahlhorner Fischteiche führen würden, durch die die Lethe läuft. Nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Biologischen Schutzgemeinschaft Hunte Weser-Ems, Remmers Akkermann, nahm Heidemark von diesen Plänen zunächst Abstand. Gebaut werden soll die Anlage dennoch, einen entsprechenden Antrag bestätigte der zuständige Bauamtsleiter der Gemeinde Großenkneten, Erhard Schröder.

Zufrieden sind die Naturschützer damit nicht. Zum einen fürchten sie Störfälle in der Heidemark-Anlage. Zum anderen sagt Akkermann: „Es ist ein Unterschied, ob ein Angestellter die Abwasserkontrollen vornimmt oder die öffentliche Hand. Im ersten Fall kann man Qualitätsprobleme verschweigen.“ Er lobt zwar die Gesprächsbereitschaft Paschertz‘, aber: „Ich rate zur kommunalen Entsorgung.“ Denn die Lethe sei viel zu klein für die private Abwassereinleitung.

Auch Tierschützer kritisieren die Firma Heidemark. Laut der Organisation Peta erfüllt das Unternehmen die Kriterien des QS-Qualitätssiegels, mit dem geworben wird, nicht. Stattdessen berichten die Tierschützer von „unhygienischen Zuständen“ und der „Verabreichung von Medikamenten über das Trinkwasser“.