Regionales aus der Röhre

OSTERGEBÄCK Süße Brote, Lämmer, Zöpfe und Kränze gehören zu den hiesigen Klassikern. Mittlerweile mischen auch die gewichtige Eierlikör-Sahne-Torte und der polnische Strudel Makowiec auf der festlichen Kaffeetafel mit

■ Frankfurter Kranz ohne Sahne, Zitronentarte ohne Ei und Marmorkuchen ohne Milch? Kati Neuderts aktueller Ratgeber „Klassiker vegan backen“ enthält unter den lecker abgelichteten 70 Kuchen- und Tortenrezepten auch die Anleitung für polnischen Mohnstrudel, der östlich der Oder traditionell zur Osterzeit verspeist wird. Edition Michael Fischer (2015), 152 Seiten. 19,99 €.

■ Nur keine Angst vor Hefe, auch nicht vor Ostern: in „Backen mit Glücksgefühl. Hefeteig ganz einfach“ entmystifiziert Foodjournalistin Oda Tietz das Backen mit dem Ökotreibmittel und gibt osterkompatible Tipps zum einfachen Umgang mit den sensiblen Pilzkulturen. Bassermann Inspiration (2013), 112 Seiten. 12,99 €.

■ Wer’s eher bunt und antitraditionell mag, wird dagegen besser bei Stefanie Noé (aka Bloggerin Crazy BackNoé) bedient. Sie gibt in ihrem Backkunstbuch „Crazy Cake Design“ bunte Tortentipps, die auch das Osterfest aufpeppen können – in 60 bebilderten, leicht nachvollziehbaren Step-by-step-Anleitungen. Compact (2015), 144 Seiten. 14,99 €. (aw)

VON ANSGAR WARNER

Ostern ist Passionszeit für alle Leckermäuler. Sichtbarstes Zeichen: Die Auslagen der hauptstädtischen Bäckereien füllen sich mit ganz besonderen Speisen. „Klassiker der Saison ist das tagesfrisch gebackene Osterbrot aus feinem Hefeteig“, so Wolfgang Weber, Leiter der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Berlin-Brandenburg. Nicht nur am Geschmack kann man die beliebte Osterspeise erkennen, auch an der Form: „Der runde Laib wird rautenförmig eingeschnitten und außen oft noch mit Zucker verziert“, ergänzt Weber. Den charakteristischen Flavour bestimmen neben Butter und Eiern auch Zitronat und Orangeat sowie Mandeln.

Anders als der besonders gehaltvolle Weihnachtsstollen gehört das vergleichsweise leichtere Osterbrot nicht zu den „Lagerteigen“, es wird immer frisch verkauft und nicht vorproduziert. deswegen ist in den Tagen und Nächten vor Ostern auch in den hauptstädtischen Backstuben besonders viel los.

Unterm Puderzucker Rum

Ein Kulturimport aus katholischen Gegenden ist das Osterlamm: „Im Unterschied zum Osterbrot wird es mit Hilfe einer speziellen Form hergestellt und besteht aus Sandteig“, so Weber. In der christlichen Liturgie ist das „Agnus Dei“ nicht wegzudenken, es steht stellvertretend für Kreuzestod und Auferstehung von Jesus Christus. Auf der festlich gedeckten Ostertafel ist es aber vor allem ein leckerer, mit Puderzucker bestäubter Hingucker, der beim Frühstück oder der Kaffeetafel angeschnitten wird. Hefepilze müssen für das Teig gewordene Lamm Gottes auch nicht sterben, es verdankt seine formstabile Konsistenz vor allem Eiern, Margarine und gerne auch mal Rum.

Wer in den nächsten Tagen eine Berliner Bäckerei aufsucht, wird jedoch noch eine Menge anderer Saisonwaren entdecken können, viele Unternehmen haben ihre eigenen Traditionen etabliert. Die Biokonditorei Tillmann etwa, die unter anderem auch zahlreiche Bioläden und Biosupermärkte beliefert, hat eine opulente Eierlikör-Sahne-Torte kreiert. Deren Geschmackserlebnis wird neben Eierlikör und Weinbrand auch durch Nussnugat, Pistazien und Mandeln bestimmt. „Alle Zutaten sind aus kontrolliert biologischem Anbau und Bioland-zertifiziert“, so Tillmann-Geschäftsführer Dirk Biesenbach.

Etwas italienisches Flair bringt BioBackhaus in die Ostersaison – neben klassischen Osterkränzen aus Plundergebäck und Marzipan wird in diesem Jahr eine Kreation namens „Mandolino“ gelauncht, angelehnt an die Tradition der fluffigen Pannettones. „Für die Teiglockerung nutzen wir Hefekulturen, die wir aus einer Eigenzüchtung gewinnen, eine sogenannte wilde Gärung“, so Marketing-Bezirksleiterin Karsta Paeschke. Angereichert wird der Teig mit Cranberries, Mandeln, Orangeat und Rum.

Meister Lampe in Form

Handwerk: Wenn die Osterzöpfe nicht aus der Form kommen, sondern noch selbst geflochten werden

Wer statt Torte, Brioches oder Pannettonoiden leckere Mini-Osterlämmer mit feiner Orangennote auftischen möchte, wird in den Filialen von Beumer & Lutum und zahlreichen Wiederverkaufsstellen fündig. Was nicht daran liegt, dass der Unternehmensstandort Kreuzkölln besonders katholisch wäre. „Die beiden Gründer von Beumer & Lutum stammen aus dem Münsterland und haben die Osterlamm-Tradition in den neunziger Jahren von dorther mitgebracht“, erklärt Torsten Teske von der Beumer-&-Lutum-Geschäftsleitung. Neben Lämmern wird auch bei Beumer & Lutum auf Meister Lampe gesetzt: „Wir haben vom 24. März bis 4. April auch Hefe- und Quarkhasen im Angebot, darunter den ‚Springhasen‘ Dinkel-Quark“, so Teske.

Eine ganz besondere Spezialität erhalten österliche Langohr-Aficionados bei der Demeter-Vollkornbäckerei Weichardt in Wilmersdorf. Gründer Heinz Weichardt setzt auch bei Schokohasen auf Handarbeit. Die flüssige Kuvertüre wird mit der Kelle in eine Gussform geschüttet, die dann kurz auskühlt, sodass sich die Form abnehmen lässt. Als Verpackung dient klassisches Cellophan. Auch Osterzöpfe aus Hefeteig sind bei der ältesten Vollkornbäckerei Berlins bewusst Slow Food: „Es gibt dafür heutzutage auch schon Formen, wo man den Teig hineinpackt“, so Weichardt. „Das ist aber eine Sache der Zunft, des Bäckers, der es sich nicht nehmen lässt, die Sachen auch zu flechten.“

Ein Strudel und viel Wasser

Noch nicht so ganz geschafft hat den Aufstieg zur Berliner Osterspeise der bei unseren polnischen Nachbarn verzehrte Makowiec, ein Strudel mit einer Füllung aus Mohn, versetzt mit Milch, Rosinen und Orangeat. Vielleicht auch ganz gut so, denn am Ostermontag verzehrt man in Polen nicht nur Makowiec, sondern huldigt dem Šmigus-dyngus-Brauch: Im ganzen Land besprengen sich alte und junge Menschen großzügig mit Wasser, gerne auch eimerweise.