Polizeiarbeit am Set

Weil die Hamburger Polizei ihre Arbeit gerne authentisch auf dem Bildschirm gezeigt bekommt, bietet sie eine Filmbetreuung an, die Drehbuchautoren berät. Allzu wahrheitsgetreue Krimis wiederum können auch zur Täterschulung werden

VON ELKE SPANNER

Die Sache mit dem venezianischen Spiegel hat Holger Vehren aufgegeben. Es hat einfach nichts gebracht. Kaum ein Krimiproduzent will auf die eindrucksvolle Szene verzichten, in der ein Tatverdächtiger von der Polizei vernommen und dabei unbemerkt von anderen Beamten durch eine Scheibe beobachtet wird. Auch wenn es solche Vernehmungsräume im echten Polizeipräsidium gar nicht gibt. Das Bild ist stark, und dieses Argument akzeptiert Vehren gern. Inzwischen weiß er selbst gut, wie das Medium Film funktioniert. Bei der Hamburger Polizei ist er zuständig für die Betreuung von Filmen, in denen die Polizei eine Rolle spielt.

Hamburg ist als Drehort bei Krimiproduzenten beliebt. Mehrer Serien spielen in der Hansestadt, darunter „Notruf Hafenkante“ und „Großstadtrevier“. Hinzu kommen einzelne Produktionen, etwa der Tatort. Darin verfolgen die Zuschauer die Arbeit der Polizei, und die hat ein Interesse daran, möglichst authentisch gezeigt zu werden. Deshalb bietet sie den Service einer Filmbetreuung an.

Im Wesentlichen besteht Vehrens Aufgabe darin, auf Bitte von Krimiautoren oder Produzenten Drehbücher vor der Verfilmung zu lesen und auf grobe Schnitzer hinzuweisen. Oftmals, erzählt der 41-Jährige, werden die Arbeitsabläufe falsch dargestellt. In vielen Krimis ermitteln zwei Kommissare zusammen, während es in der echten Mordkommission jeweils ein Team aus fünf Ermittlern ist. Oder die Schutzpolizei übernimmt Aufgaben, die sie im echten Leben längst an die Kripo abgegeben hätte. Ein klassischer Fehler ist Vehren zufolge auch, dass in Drehbüchern die Kommissare die Leiche inspizieren, während die Spurensicherung ihre Arbeit am Tatort noch nicht abgeschlossen hat. Bei einem echten Mord wäre das undenkbar – die Spuren, die die Kommissare an der Leiche hinterließen, würden die Aufklärung des Falles erheblich stören. Entdeckt Vehren solche Fehler, greift er zum Telefon und klärt Drehbuchautoren oder Produzenten darüber auf.

Die Polizei berät die Filmteams auch später, am Set. Wird eine Festnahme gedreht, machen Polizisten vor, wie die entsprechenden Handgriffe sind. Für eine Schuss-Szene zeigen sie, wie die Waffe fachkundig gezogen wird. Oft sind es aber wirkliche Polizisten, die zu sehen sind. Beamte in Uniform sind zumeist echt, ebenso die Spurensicherer in ihren weißen Overalls. Vehren schickt auf Wunsch auch Komparsen ans Set. „Es macht einen großen Unterschied, ob jemand mit Uniform durchs Bild läuft, der sie täglich trägt, oder ein Darsteller, der sich selbst noch nie in Uniform gesehen hat“, sagt er. „Bei einem echten Polizisten sieht es einfach echter aus.“

Natürlich aber haben die Produzenten künstlerische Freiheit. Vehren kann sie beraten, mehr nicht. Letztlich ist es ihre Entscheidung, wie die Polizeiarbeit dargestellt wird. In der Regel aber greifen sie die Hinweise des Experten auf. Einmal beispielsweise sollten Polizisten eine Geisel aus einem Keller befreien, indem sie mit der Pistole auf das Türschloss schießen. „Das würde kein vernünftiger Polizist so tun“, sagt Vehren. Die Gefahr, durch die abprallende Kugel selbst verletzt zu werden, sei groß. Außerdem sei es zu gefährlich, auf eine geschlossene Tür zu zielen, ohne zu wissen, was sich dahinter abspielt. Nach dem Hinweis des Krimi-Cops stemmten die Film-Polizisten die Tür schließlich mit dem Brecheisen auf.

Wenn die Polizeiarbeit lebensecht dargestellt wird, hat das auch für die Polizei Vorteile – es vermittelt den Zuschauern ein authentisches Bild ihrer Arbeit. Es ist aber auch nicht nur vorteilhaft. Eine Gefahr liegt darin, dass ein gut gemachter Krimi zur „Täterberatung“ werden kann: Manche Tipps behält Vehren deshalb besser für sich. Einmal hat ihn ein Drehbuchautor nach einem Gift gefragt, das gänzlich geruchs- und geschmacksneutral und deshalb für einen heimtückischen Mord besonders geeignet sei. Vehren hat die Auskunft verweigert.