Reineke Fuchs

Tollwut und Theater

Wir waren spät dran und wollten, mutig, wie wir nun mal sind, eine Abkürzung testen – die sich dann auch tatsächlich als eine solche herausstellte. Das Deutsche Theater lugte schon um die Ecke, wir waren also fast da, da lugte noch etwas anderes um die Ecke: ein kleines, rötliches Tier. Ein Kätzchen, rief mein Freund und Begleiter. Ein Fuchs, rief ich.

Dann verstummte ich verschämt wegen meines Hangs zur Dramatik. Doch kurz darauf stellte sich heraus: Ich hatte mich nicht geirrt. Es war nicht der erste Fuchs meines Lebens, aber mein erster in Berlin. Und irgendwie wirkte er so ganz und gar nicht listig. Er sah müde, beinahe kränklich aus. Dennoch schlichen wir vorsichtig an dem Tier vorbei, das sich in entgegengesetzter Richtung ebenso platt wie wir an der Hauswand entlangdrückte. Am Abend davor hatte ich bei einer Partie Trivial Pursuit gelernt, dass Tollwut die einzige Krankheit ist, die nach ihrem Ausbruch immer tödlich verläuft. Also schob ich meinen ahnungslosen Begleiter (er hatte es an dem Spielabend vorgezogen, zu lesen) unauffällig Richtung Fuchs. Auf dem Vorplatz des Theaters angekommen, drehte ich mich um: Der Fuchs war nicht mehr zu sehen. Aber ich glaube, ich habe sein entferntes Husten gehört. Hoffentlich hatte er einen warmen Schlafplatz.

Im Theater zumindest war es so mollig, dass meine Brille anlief. Ich wischte mit links die Gläser sauber und suchte mit rechts die Karten. Irgendwann waren wir dann endlich im Saal auf unseren Plätzen angekommen. Alles war schön. Bis eine Frau die Bühne betrat und mit ernster Miene verkündete: Schimmelpfennigs „Das Reich der Tiere“ müsse heute leider ausfallen. Denn einer der Schauspieler sei krank. Er habe gerade das Theater verlassen müssen. LENA HACH