Kiezclub als Vorbild für friedliches Miteinander

Der Kreuzberger Oberligist BFC Türkiyemspor bekommt vom DFB den erstmalig vergebenen Integrationspreis. Für Geschäftsführer Firat Tuncay ist Respekt das Schlüsselwort bei der Arbeit mit migrantischen Jugendlichen

Wenn Firat Tuncay über seinen Verein spricht, leuchten seine Augen vor Begeisterung. Sein Verein ist der Kiezclub BFC Türkiyemspor. Tuncay, der Geschäftsführer des Fußballvereins, hat im Moment allen Grund zu strahlen. Sportlich läuft es gut für die Kreuzberger. Platz zwei nach der Hinrunde in der Oberliga und damit die Chance auf den Sprung in die neue Regionalliga. Aber nicht nur auf dem Spielfeld konnte Türkiyemspor punkten. Seit fast 30 Jahren ist der Verein nicht nur ein gewöhnlicher Fußballklub, sondern auch ein Integrationsobjekt. Dafür gab es jetzt vom Deutschen Fußball-Bund den erstmalig vergebenen Integrationspreis.

„Das ist eine Belohnung unserer Arbeit und macht uns stolz“, freut sich Tuncay. Zahlreiche Projekte hat der Verein in der Vergangenheit ins Leben gerufen. „Das passiert aber nicht von heute auf morgen“, sagt Tuncay. Schon seit Jahren setzt sich der Kiezclub in Kreuzberg und Neukölln für ein friedliches Miteinander der vielen Nationalitäten ein. Allein in der ersten Mannschaft tummeln sich sieben verschiedene Nationalitäten. „Wir fragen nicht nach der Nationalität oder der Religion“, sagt Tuncay.

Um dies auch nach außen zu zeigen, organisierte der Club den „Avistel-Cup“, bei dem Imame aus Moscheen, christliche Pastoren und Rabbiner aus der jüdischen Gemeinde gegeneinander Fußball spielten. Das hat es bis dahin in Deutschland noch nie gegeben. Eines ist Firat Tuncay aber wichtig: „Unser Verein ist keine politische Bühne, Radikale, in welcher Hinsicht auch immer, dulden wir nicht.“ Gewalt wird abgelehnt. Für Spieler und Trainer gibt es ein Antikonflikttraining. Auch mit der Polizei arbeiten sie zusammen und wollen gemeinsam mit dem Projekt „Stopp Tokat“ die Jugendlichen von der Straße holen. „Tokat“ bedeutet so viel wie „jemanden abzocken“. „Wir wollen den Jugendlichen klarmachen, dass sie sich damit nur selber schaden und ihre eigene Zukunft verbauen. Wir wollen ihr Bewusstsein schärfen“, sagt Tuncay.

Respekt ist das Schlüsselwort, was Firat Tuncay seinen Schützlingen auf den Weg geben will. Ausgegrenzt soll niemand werden. Für eine Initiative gegen Homophobie ließen sich sogar einige Spieler mal nackt für ein Schwulenmagazin fotografieren. „Der Sport ist eine Gemeinschaft und schweißt zusammen, gerade im Jugendbereich“, sagt Tuncay. Denn trotz der Erfolge der ersten Mannschaft liegt in der Jugendarbeit der Schwerpunkt des Vereins. „Die ist das Herz und der Motor“, sagt er.

Finanziell ausgezahlt hat sich die sportliche und integrative Arbeit bislang nicht. So kommen die Sponsoren weiterhin vornehmlich aus türkischen Kreisen. Das kann Firat Tuncay nicht verstehen. „Der Verein ist doch eine Marke, die bundesweit bekannt ist. Weltweit gibt es 52 Türkiyemspors, die alle nach unserem Vorbild gegründet wurden“, sagt er. Und Türkiyemspor ist auch ein Vorbild für die vielen anderen Migrantenvereine.

Einen Grund, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, sehen sie bei Türkiyemspor aber nicht. „Der Preis sollte Ansporn sein, noch mehr Projekte zu starten“, sagt Tuncay. Eines davon könnte eine feste Bleibe sein – ein Vereinsheim oder Jugendzentrum. „Da könnten wir den Jugendlichen dann auch mal Nachhilfe für die Schule geben“, so der Geschäftsführer.

Auf die Frage, was wäre, wenn es Türkiyemspor nicht geben würde, sagt Firat Tuncay nur kurz: „Unsere Arbeit würde niemand auffangen.“ NICOLAS SOWA