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: Bundesliga jetzt noch wertkonservativer

Dem deutschen Fußball steht die Wiederkehr ureigener Werte ins Haus. Der erste Libero der Taktik-Neuzeit wurde in Frankfurt gesichtet

Ottmar Hitzfeld hat die Zeichen der Hinserie erkannt. In den besinnlichen Tagen im Dämmerlicht seines Tannenbaums in Lörrach will der Mathematiklehrer des FC Bayern München einen Verhaltenscodex ausarbeiten für seine Flegel von der Säbener Straße. Der Mini-Knigge für kickende, aber auf Abwege geratene Jungmillionäre soll den Spielern künftig ein paar Anhaltspunkte geben für ihren morgendlichen Griff in den Kleiderschrank sowie den Umgang mit ihren Mannschaftskameraden, Vorgesetzten und der Öffentlichkeit und das Auftreten auf dem Platz.

Zu lausbubenhaft haben sich die Bayern in den vergangenen Wochen verhalten, als die „Bayern ist nicht Marseille oder Florenz“-Kameraden Ribery und Toni mal einfach nach einem Nationalmannschaftsausflug zu spät aus ihren warmen und schönen Heimatländern ins eklig kalte München zurückgekehrt waren oder aber ihr torhütender Mannschaftskamerad „Lügen“-Kahn zunächst die Vereins-Weihnachtssause vorzeitig verließ, um dann auch noch die aus erbärmlichen Verhältnissen in Südfrankreich und der Toskana nach München gewechselten Mitspieler öffentlich zu rüffeln. Folglich hat Hitzfeld natürlich recht, wenn er nun Benimmregeln niederschreibt und in all die im Bayern-Kader gepflegten Fremdsprachen übersetzen lässt. Solche Dolmetscher mit Kenntnissen bezüglich des Vokabulars der guten Manieren sollte im polyglotten München mit seiner Wertschätzung der Etikette leicht zu finden sein. Vor einem Jahr wäre Hitzfeld die Suche nach den geeigneten Sprachenexperten für eine Weihnachtsbotschaft vermutlich noch schwerer gefallen. Denn am Jahresende 2006 standen noch ganz andere Breviere als ein Benimmbüchlein hoch im Kurs. Damals benötigten Bundesligatrainer noch Übersetzer mit Fußballfachwissen, um selbst verfasste Wegweiser zu aktuellen Themen des Fußballs unter die Weihnachtsbäume ihrer Spieler legen zu können. 2006 wurde am Ende des WM-Jahres nämlich noch über Taktik geredet, als sei sie der einzige Weg zur fußballerischen Glückseligkeit. Doch vorbei und vergessen: Die WM ist lange her.

Der sehnsüchtige Blick auf andere Fußballkulturen und ihre vermeintlichen Vorzüge gegenüber den deutschen Tugenden ist Vergangenheit. Klinsmann ruft schon lange nicht mehr aus Amerika dazwischen, wenn in der Bundesliga nun wieder das Lob der Disziplin gesungen werden darf. Endlich dürfen die Völlers auch mal wieder die Bedeutung der deutschen Kardinaltugenden wie Lauf- und Einsatzbereitschaft aus dem vergangenen Jahrtausend betonen. Und es darf wieder anständig gekämpft werden. Und Achtung! Still und leise kehrt sogar der Libero hin und wieder auf den Fußballplatz zurück. Zuletzt wurde er in Frankfurt gesichtet. DANIEL MEUREN