„Russland wird sich ändern“

VORTRAG Die Forschungsstelle Osteuropa lässt eine Dissidentin über die Proteste in Russland sprechen

■ 42, ist promovierte Historikerin und Direktorin der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen.

taz: Frau Schattenberg, was denken Sie, wie geht es mit den Protesten in Russland weiter?

Susanne Schattenberg: Ich glaube, dass die sich noch bis zu den Wahlen im März…

wenn Putin wieder Präsident werden will…

… fortsetzen werden. Je nachdem wie die Wahl dann ausgeht, kann die Lage explodieren oder sich beruhigen. Allerdings gehe ich davon aus, dass auch in dem Fall, in dem Putin nicht gewinnt, gesellschaftliche Umwälzungen kommen werden.

Welche?

Die Kreml-Partei und ihr System werden zusammen brechen und es kann zu einer zweiten Phase der Demokratisierung kommen.

Warum könnte es jetzt klappen?

Weil der Protest von einer breiten Masse getragen wird und nicht nur von einer kleinen intellektuellen Elite.

Fürchten Sie nicht, dass Nationalisten die Oberhand gewinnen?

Nein, die gibt es wie in jedem anderen Land auch, aber ich halte sie in Russland nicht für stärker. Die Frage ist eher, ob, falls wieder Chaos ausbricht, ein neuer Putin auftaucht, der Stabilität verspricht.

Auf Ihre Einladung spricht heute die russische Menschenrechtsaktivistin Ljudmila Alekseeva über die Proteste. Wann haben Sie sie zuletzt gesprochen?

Im Oktober in Moskau, also kurz vor den gefälschten Wahlen. Ich habe sie gefragt, ob sie glaubt, dass es jetzt bis 2024 so weiter geht und war erstaunt, als sie dies verneinte. Sie sagte mir, dass im Internet spürbar sei, wie der Unmut gärt und wie viele Gruppen auf die Straße wollen. Sie hat die Proteste vorausgesehen.

Und ist mit ihren 84 Jahren mitten dabei?

Ja, sie steht wieder mit auf der Straße. INTERVIEW: EIB

Vortrag: 18 Uhr, Europa-Punkt , Am Markt 20