wildeisens lesezeichen
: Letzte Ausfahrt aus dem Labyrinth

John Greens ers- ter Jugendroman „Eine wie Alaska“ ist eine Zeitbombe.

Alter: ab 14

Story: Miles ist 16 und findet, er sei ein „harmloser, kleiner Scheißer.“ Auf der Suche nach dem „großen Vielleicht“ geht er nach Alabama aufs College. Er teilt sein Zimmer mit Chip, dem „Colonel.“ Dieser ist durchtrainiert und intelligent, aber ebenso herrisch und klein wie Napoleon – und verpasst ausgerechnet dem viel größeren Icherzähler den Spitznamen „Pummel.“ Beeindruckt von Miles Vorliebe für letzte Worte berühmter Persönlichkeiten, weiht er ihn in die Welt des Internats ein, eines Ortes, „wo man nie wusste, was als Nächstes geschah“. Die überlebensgroße, kreative Kraft hinter Miles ist Alaska, eine vor Einfallsreichtum und Witz übersprudelnde Schönheit. Alaska lebt in einem Zimmer voller Bücher, „einer tödlichen Masse von Literatur.“ Chip verliebt sich Hals über Kopf. Alaska liebt ihren Freund Jake, nimmt aber wie Miles Pummel als Kumpel an. Die Zeit vergeht mit Lernen, Schülerstreichen, Rauchen und Saufen – bis in einer Nacht alles aus dem Ruder läuft: Nachdem Alaska Miles küsst, steigt sie betrunken ins Auto und stirbt.

Leserausch: Während der Leser glaubt, alles drehe sich um Faxen, Verliebtheiten und ulkige Regelverstöße, rast die Geschichte unaufhaltsam auf Alaskas tragisches Ende zu. 136 Tage vorher, 128 Tage vorher: Bis zu jener Nacht werden die Tage heruntergezählt. Nach dem Schock treibt Miles und Chip eine bohrende Frage um: War Alaskas Tod Unfall oder Selbstmord? Wie im Wahn suchen sie nach Anhaltspunkten. Was sie über die geliebte Freundin erfahren, zeigt Alaska als eine von einer entsetzlichen Schuld Getriebene. Was bleibt, sind die letzten Worte Simon Bolivars, die Alaska so sehr beschäftigten: „Wie komme ich bloß aus diesem Labyrinth heraus?“

Potter-Faktor: 4

Weltwissen: Weder ist Alaska die Traumfrau noch Miles der langweilige Mitläufertyp, den er mimt. Die turbulente Internatsgeschichte wird zum psychologischen Krimi, die coolen Jugendlichen zu facettenreichen Charakteren. Letztlich variiert das Buch die existenzielle Frage nach dem Sinn des Lebens und des Todes – die Kernfrage aller Religionen. Ächzend und scheinbar auf dem letzten Loch pfeifend hält Dr. Hyde seine Vorträge über die Weltreligionen, die Miles in sich hineinsaugt. Er erkennt, dass es wichtig ist, Religionen ernst zu nehmen, egal ob man gläubig ist oder nicht. Pisa-Faktor: 3

Flott geschrieben und ebenso spannend wie tiefgründig! Wildeisen-Punkte: 4

SARAH WILDEISEN

John Green: „Eine wie Alaska“. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz. Hanser, München 2007, 16,90 €