: Christfest ohne Schokolade?
GLÜCK Das BIPS kritisiert den Mythos Schokolade: „Der Glücksstoff Serotonin ist nur in geringen Mengen enthalten.“ Bremens Spar-Staatsrat empfiehlt Grünkohl-Variationen
Von KLAUS WOLSCHNER
Das sinnliche Erlebnis des Schokoladen-Genusses gehört wie das Licht der Kerzen zur „frohen Botschaft“ des christlichen Weihnachtsfestes. „Du darfst“, wispern die Lichter und die immergleichen süßlichen Melodien, von denen wir schon als Kinder glänzende Augen bekamen. Ein Hauptbestandteil der Schokolade – der Zucker – sorgt über die Insulinausschüttung für einen plötzlichen Anstieg des Serotoninspiegels im Gehirn. In der Kombination mit Fett und Kohlenhydraten führt das zu Glücks- und Zufriedenheits-Gefühlen, sagen die Schokoladen-Händler.
„April, April!“, ruft nun das Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS) in die vorweihnachtliche Stimmung und verkündet: Schokolade löst durch seine Bestandteile keine Glücksgefühle aus. „Tatsächlich heben Kakaoprodukte nicht wirklich die Stimmung, jedenfalls nicht aufgrund ihrer Inhaltsstoffe“, sagte die Ernährungsexpertin des BIPS, Wiebke von Atens-Kahlenberg. „Der Glücksstoff Serotonin ist nur in sehr geringen Mengen enthalten.“ Er gelange außerdem gar nicht ins Gehirn.
Nur die bittere dunkle Schokolade sei gesund: Nach einer Langzeitstudie des Deutschen Institutes für Ernährungsforschung könne der tägliche Verzehr von einem Stück dunkler Schokolade das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken, „insbesondere für Schlaganfälle“. „Vor allem Sorten mit einem hohen Kakaoanteil ab etwa 70 Prozent haben diese Wirkung“, weiß Atens-Kahlenberg. Für Vollmilchschokolade sei dieser Effekt kaum nachzuweisen.
Andere Untersuchungen lassen vermuten, dass Schokolade wegen ihres hohen Zuckeranteils die Produktion von Serotonin ankurbelt. Sicher ist nur, dass der angenehme Wohlgeschmack von Schokolade über die Psyche die Bildung der körpereigenen Endorphine anregen kann. Und Schokolade enthält zudem Phenylethylamin – dies ist auch dann vermehrt im Blut zu finden, wenn wir uns verlieben.
Die rasche Wirkung der Schokolade hat ihren Preis: Der Blutzuckerspiegel ist bald nach dem Schokogenuss meistens noch niedriger als zuvor, das macht die sündig-süchtige Lust auf das zweite und dritte Stück.
Ganz offensichtlich besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Stimmungslage und dem Verlangen des Menschen nach Kohlenhydraten. Nicht Schokolade hebt langfristig die Stimmung, sondern Kartoffeln, Müsli oder Vollkornbrot. Oder eben Grünkohl. Aus Afrika (oder Griechenland) ist die Kunde von diesem angeblich typisch norddeutschen Kraut rund um die Welt gegangen. Und offenbar ist Grünkohl auch ein Spar-Gericht.
Jedenfalls hat der Bremer Finanz-Staatsrat Henning Lühr seine Liebe zu den grünen Blättern entdeckt – und mit anderen zusammen ein Multikulti-Kochbuch (im Bremer Kellner-Verlag) geschrieben. Die künstlerischen Illustrationen stammen aus seiner Feder und von Karin Hollweg. Da gibt es Grünkohl-Pizza, Grünkohl-Quiche, Grünkohl-Marmelade. Die Chinesen kochen ihn mit Krabben, vegetarisch gibt es ihn mit Linsen oder Ravioli oder indisch mit Kichererbsen.
Sündige Weihnachten!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen