Keine Opferrolle

DOKUMENTATION In „Flotel Europa“ erzählt Vladimir Tomic eindrucksvoll von seinem Leben als Flüchtlingskind

Es sieht kaum noch aus wie ein Schiff, das riesige „Flotel Europa“ im Hafen von Kopenhagen. Rund tausend Menschen, die vor dem Krieg in Bosnien-Herzegowina geflohen sind, leben in diesem Klotz. Zu ihnen gehört Vladimir Tomic, der gemeinsam mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder als Kind hierher gezogen ist.

Dem Vater, der zur Armee einberufen worden ist, schickt die Familie Videobotschaften, aus der fensterlosen Kabine, aus dem Fernsehsaal, von Ausflügen, die Tomic mit seinen Freunden gemacht hat. Aus 70 Minuten dieses Materials hat Tomic für seinen Film „Flotel Europa“, der auch auf der Berlinale zu sehen war, eine Montage gebastelt, in der er sich seine eigene Geschichte aneignet. Dabei gelingt es Tomic, sein eigenes Schicksal als Flüchtling jenseits der klassischen Opferrolle zu erzählen – und einen schüchternen Jungen in einen Filmstar zu verwandeln. Am Mittwoch ist der eindrucksvolle Film im Metropolis in der bosnischen Originalfassung mit Untertiteln zu sehen.

Mit Tomic’ Film wird zum 12. Mal die Dokumentarfilmwoche eröffnet, die von Mittwoch bis Samstag Filme präsentiert, die sonst nicht den Weg in die Kinos gefunden hätten: kleine, abseitige und experimentelle Dokumentationen, die ohne Beteiligung von Fernsehsendern und ohne Fördermittel entstanden sind. Zu sehen sind aber auch die Höhepunkte der internationalen Festivalszene. Mehr dazu in der taz.nord am kommenden Donnerstag.  MATT

■ Mi, 8. April, 20 Uhr, Metropolis Kino, Kleine Theaterstraße 10 ■ www.dokfilmwoche.com