Irgendwann ist jede Party vorbei

DEBÜT Verloren gehen in der großen Stadt: Boris Pofallas „Low“

Moritz ist weg. Von einem auf den anderen Tag. Einfach abgehauen aus seiner WG. Seine Sachen hat er dagelassen, die Schuhe stehen noch im Flur, seine Bettdecke liegt da, als sei er gerade aufgestanden. Der Einzige, der sich um ihn sorgt, ist sein bester Freund, der Ich-Erzähler in Boris Pofallas Debütroman „Low“. Er sucht Moritz einen Sommer lang, aber nicht besonders intensiv. Denn der Sinn seines Lebens ist es, sich der Welt zu entziehen: in den dunklen Industriebrachen Berlins, in denen der düstere Techno hämmert. Aber dieses Hangeln von Party zu Party, von Line zu Line hat seinen Reiz verloren, seit Moritz weg ist.

Das Verlorengehen in der großen Stadt ist ein beliebtes Motiv unter jungen Autoren, Filme- und Musikmachern. Pofallas namenloser Held ist Teil einer Generation – irgendwo zwischen 20 und 35 –, die nicht so richtig weiß, wohin mit sich, überfordert von der Welt, ängstlich, sich festzulegen. Soziologen nennen sie die „Generation Y“. Sie ist mit Unsicherheiten aufgewachsen, hat gelernt, zu improvisieren, ist unpolitisch und legt Wert auf Konsum und Lifestyle. Diese merkwürdige, oft romantisierte Mischung aus Rausch und Kater hat man schon oft gelesen, und doch findet Pofalla, der sonst als freier Autor für die FAS schreibt, eine starke Sprache für sie. Melancholisch streift der Ich-Erzähler durch Berlin und erinnert sich an die gemeinsame Zeit mit Moritz in Greifswald. Dann trifft er Anna, verliebt sich, ist euphorisch und hofft, dass diese Frau endlich Ordnung in sein Leben bringt. Ganz nebenbei kratzt Pofalla an dem Hype um Berlin als Feiermetropole, der jeden Freitag Tausende Spanier, Engländer, Italiener und Skandinavier in die Stadt lockt. Irgendwann ist auch die beste Party vorbei.

„Low“ ist eine Charakterstudie, kein Krimi. Ob der Ich-Erzähler seinen besten Freund am Ende findet oder nicht, ist eigentlich egal. ANNE FROMM

Boris Pofalla: „Low“. Metrolit Verlag, Berlin 2015, 222 Seiten, 20 Euro