: Was wird die Welt beschäftigen?Hermann Scheer
Diese Menschen wollen oder müssen 2008 etwas Neues anfangen. Da haben wir drei Fragen. 1. Was wird die Welt beschäftigen und was sollte die Welt 2008 beschäftigen? 2. Wie retten Sie die Welt? 3. Von welchen drei Menschen erwarten Sie 2008 etwas?
63, SPD-Bundestagsabgeordneter und Präsident von Eurosolar, will 2008 Wirtschafts- und Umweltminister in Hessen werden. Sein Angebot: ein Programm für die komplette Energiewende ohne Kohle und Atom.
1. In „der Welt“ sollte endlich erkannt werden, dass die Klimakatastrophe nicht mit Weltkonferenzen bekämpft werden kann, die den kleinsten gemeinsamen Nenner suchen.
2. Ich werbe und wirke weiter für eine technologische Revolution hin zu erneuerbaren Energien nach dem Prinzip „Global denken, lokal handeln“.
3. Zuerst von mir selbst. Wen soll ich sonst noch nennen, ohne jemand zu vergessen, der oder die auch genannt werden müsste?
Patrick Breyer
Jurist, hat die größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland initiiert. Über 20.000 Menschen wollen 2008 gegen das Gesetz zur sechsmonatigen Speicherung sämtlicher Telefon- und Internetdaten nach Karlsruhe ziehen.
1. Medien und Politik werden sich auch 2008 mit Terrorismus und spektakulären Straftaten, mit „Sicherheitsgesetzen“ und Bundeswehreinsätzen beschäftigen. Unsere wirklichen Bedürfnisse sind aber andere: Wir müssen Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte zurückerobern, aber auch genügend Beschäftigungsmöglichkeiten schaffen und Armut in Deutschland und der Welt wirksam reduzieren.
2. Wir werden der Hydra des entgrenzten Sicherheitsstaates einen Kopf abschlagen, indem wir die anlasslose Erfassung des Kommunikations- und Bewegungsverhaltens der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung) vor den Gerichten stoppen werden.
3. Im Deutschen Bundestag haben unter anderem Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Jan Korte (Linke) und Jerzy Montag (Grüne) das Wort ergriffen gegen unser Abgleiten in Richtung autoritärem Hochsicherheitsstaat. 2008 muss es nun darum gehen, ein breites Freiheitsnetzwerk zu bilden und eine nachhaltige, konstruktive Innenpolitik zu entwickeln, der die Menschen sowohl ihre Freiheit wie auch ihre Sicherheit anvertrauen können.
Hanna Maier
19, bekommt am 21. Juni 2008 ihr Abiturzeugnis. Noch ist völlig offen, was danach kommt – Auslandspraktikum, Ökologisches Jahr, Jobben oder Studium? Eins ist klar: Gar nichts tun, wird nicht finanziert, sagen die Eltern.
1. Ich denke, dass der Klimawandel und alles, was damit zusammenhängt, noch für ziemlich viel Aufsehen sorgen wird, und das ist auch ganz gut so. Bis jetzt gibt es ja schon wieder keinen Schnee in diesem Winter.
2. Wenn ich genug Zeit habe, werde ich mich wie Forrest Gump auf den Weg machen und versuchen, mit so vielen Menschen wie möglich um die Erde zu laufen. Auf dem Weg gibt es nur Handtücher mit Friedenssprüchen und absolut gerechte Wasserverteilung. Nebenbei würde ich gern noch ein paar bedrohte Tierarten retten und die Formel zur Vernunft entdecken.
3. Ich erwarte von Bob Marley, dass er wieder aufersteht, von Jan Delay, dass er noch mal eine neue CD rausbringt, und von meiner Mami, dass sie mir auch im letzten Schuljahr noch das Schulbrot schmiert.
Dieter Thomas Heck
69, Fernsehmoderator, hat im November nach 38 Jahren und elf Monaten seine Arbeit für das ZDF (Hitparade, Melodien für Millionen und vieles andere) beendet. Was machen Sie 2008 Neues, Herr Heck? „Wenn ich Ihnen das jetzt sagen würde, dann wäre es ja nichts Neues mehr.“
1. Dass es keinen Hunger mehr auf der Welt gibt.
2. Bin ich Gott?
3. Wieso denn nur von Dreien?
Rose Volz-Schmidt
52, reist im Januar 2008 erstmals zum Weltwirtschaftsforum nach Davos, um dort das Gespräch mit den Chefs transnationaler Konzerne zu suchen. Die Geschäftsführerin der gemeinnützigen wellcome GmbH, die junge Eltern direkt nach der Geburt ihrer Kinder betreut, ist zur „Sozialunternehmerin des Jahres 2007“ gewählt worden.
1. Mir macht Sorgen, dass die soziale Ordnung flöten geht. Die Armen werden ärmer und die Reichen reicher. Wie kommen wir zu einer größeren Verbindlichkeit zum Wohle der Ärmsten? Das ist national und global das große Thema.
2. Das Wort „retten“ ist mir zu groß. Ich halte es mit dem Satz des Schriftstellers Günter Eich: „Seid Sand, nicht Öl im Getriebe der Welt!“. Ganz wichtig ist es, genau hinzugucken, in welcher Lage die Menschen sind. Dann kann man vieles anders machen. Wenn Kinder wirklich willkommen sein sollen, müssen Familien konsequenter unterstützt werden – egal, ob es sich um bezahlbaren Wohnraum, bessere Spielplätze oder flexiblere Arbeitszeiten für Eltern handelt.
3. Von Familienministerin Ursula von der Leyen. Sie soll nicht handzahm werden, sondern im Interesse der Familien Konflikte eingehen – und sei es mit der eigenen Partei.
Von meiner 16-jährigen Tochter. Sie soll mir immer wieder sagen, was junge Leute bewegt und was sie von den Erwachsenen erwarten.
Von Reinhold Beckmann. Er könnte mich in seine Sendung einladen – das wäre sicher ein interessantes Gespräch.
Jörg Thadeusz
Fernsehmoderator und Kolumnist, schreibt 2008 nach eigener Aussage „einen dermaßenen Besteller, dass selbst eine usbekische Übersetzung höchstwahrscheinlich erscheint“. Außerdem denkt er „über eine neue Frisur nach“. Im RBB läuft am Dienstagabend (22.05 bis 22.35 Uhr) auch 2008 seine Gesprächssendung „Thadeusz“.
1. Zu Weihnachten 2008 werden unter deutschen Weihnachtsbäumen überdurchschnittlich viele Säuglinge mit schweizerischem oder österreichischem Migrationshintergrund beschenkt. Denn im Sommer findet ein europäisches Fußballturnier im Gebirge statt. Also allgemeine Ausgelassenheit, Blumenwiesen und Osnabrücker Schlachtenbummler, die sich glaubwürdig als „Geissenpeter“ ausgeben.
2. Ich werde auch im bevorstehenden siebten Jahr in Berlin an „Danke“ und „Bitte“ festhalten. Also die zivilisierte Welt vor der Barbarei der Beer-to-go-Vandalen retten.
3. Ich erwarte von Nelson Valdez (Borussia Dortmund), dass er für vier Millionen Euro Tore schießt.
Ich erwarte von Hillary Clinton, dass sie im Sommer eine Affäre mit Matt Damon eingesteht und durch diese unerwartete menschliche Regung im November US-Präsidentin wird.
Ich erwarte von Franziska Drohsel (Juso-Vorsitzende), dass sie zur Vernunft kommt, mit mir neoliberal essen geht, aber in jedem Fall Ansprüche auf die Kanzlerkandidatur 2009 anmeldet. Lieber in Franziskas neuer DDR leben als in Kurts Bratwurstrepublik.
Barbara Streidl
35, Autorin, will „das Leben schöner machen – durch einen neuen Feminismus!“ Gemeinsam mit Meredith Haaf und Susanne Klingner veröffentlicht sie im März 2008 das Buch „Wir Alphamädchen. Warum Feminismus das Leben schöner macht“ (Hoffmann und Campe).
1. Nachdem im letzten Jahr hauptsächlich über die junge Generation gesprochen und geurteilt wurde, hoffe ich nun auf ihre Stimme: die der jungen Frauen, die mitdenken und Ziele haben, frei und selbstbestimmt leben möchten, jede nach ihrer Art. Weil sie nur die eine Hälfte der Welt ausmachen, brauchen wir auch die jungen Männer, um die Welt nicht nur zu beschäftigen, sondern zu verändern, ja, besser zu machen.
2. Wie gesagt: gemeinsam mit den Männern. Zusammen finden wir eine Lösung, um Beruf und Familie zu vereinen, und schaffen ein neues Selbstbewusstsein für den Umgang mit Macht und Sexualität. Dabei hilft uns der Feminismus, der für ein gleichberechtigtes Miteinander der Frauen und Männer steht.
3. Na, eigentlich nicht nur von drei Menschen: Ich erwarte von allen Männern, dass sie sich von falschen, veralteten Rollenmustern lösen – Macho, Machtinhaber, Märchenprinz – lieber sollen sie einfach wieder Männer sein. Und sich freuen, dass sie selbstbewusste Frauen an ihrer Seite haben, die niemals die Frage stellen würden, ob sie nicht eigentlich doch zu dick seien.
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