„Da machen wir uns keinen Kopf“

HIPHOP Wir wollten den Film so authentisch wie möglich machen, und da muss eben auch mal eine Mutter beleidigt werden: Ein Gespräch mit den Rappern Sido und B-Tight über ihren Kinofilm „Blutzbrüdaz“

„Mein Anspruch an den ,Arschficksong‘ war ja nicht, dass ich der Welt weiterhelfe“

Sido

INTERVIEW THOMAS WINKLER

Ein Zimmer im Soho-House. Auf dem Couchtisch liegen Zigaretten, Papers und auf einem Unterteller zwei kleine Bröckchen Haschisch. Der süße Duft von Marihuana hängt im Raum, Sido und B-Tight hängen in dunklen Plüschsesseln. Als die beiden noch Paul Würdig und Bobby Davis hießen, waren sie schon dicke Kumpels. Mittlerweile sind sie Rapper, der eine sehr erfolgreich, der andere nicht so erfolgreich. Nun haben sie zusammen einen Film gemacht: „Blutzbrüdaz“ handelt von zwei dicken Kumpels, von denen der eine als Rapper sehr erfolgreich wird und der andere auch ein Rapper ist, aber lange nicht so erfolgreich wird. Den erfolgreichen Rapper spielt B-Tight, den nicht so erfolgreichen Sido. Der muss jetzt aber erstmal was Wichtiges klären am Handy, B-Tight darf antworten.

taz: In Eurem Film „Blutzbrüdaz“ wird in gewisser Weise Eure persönliche Geschichte nacherzählt.

B-Tight: In der ersten Hälfte des Films ist es relativ nah dran an unserer Biografie, das stimmt schon, aber danach ja gar nicht mehr.

Der Eddy, den B-Tight im Film spielt, wird zu dem Popstar, der Sido im wirklichen Leben geworden ist.

Sido telefoniert immer noch, ist aber offensichtlich zum Multitasking fähig: Welcher Popstar?

Allgemeines Gelächter, Sido telefoniert weiter.

Wessen Idee war diese ja durchaus ironische Umkehrung der Realität?

B-Tight: Ich habe keine Ahnung. Ich kam ja erst so spät dazu, da gab es schon die 13. Fassung des Drehbuchs. Oder vielleicht auch erst die zwölfte.

Sido hat jetzt aufgehört zu telefonieren: Welche Idee?

Dass eure jeweiligen persönlichen Biografien im Film vertauscht werden.

Sido: Das stand von vornherein fest. Ich habe ja alles mitentwickelt und war von Anfang an in das Drehbuch involviert. In gewisser Weise schlüpfen wir jeweils in die Haut des anderen.

War euch diese ironische Umkehrung wichtig?

Sido: Ist das Ironie? Auf jeden Fall ist es nur ein Nebenaspekt: Eigentlich geht es in dem Film vor allem um eine Freundschaft und wie eine große Plattenfirma in so eine Freundschaft reinfunken kann. Das war der Ursprung des Films. Doch als wir gemerkt haben, dass es gewisse Parallelen zu unserem Leben gibt, haben wir das ausgebaut und damit gespielt. Deshalb rappt Eddy jetzt zwar nicht „Mein Block“, aber „Mein Hochhaus“, und das Video sieht genauso aus.

B-Tight: Das passt ja auch zu dem Film, dass es ein bisschen lustig wird.

Sido: Wir haben aber keine Komödie geschrieben. Wir haben es nicht darauf angelegt, dass es lustig wird. Das haben wir erst hinter gemerkt, dass andere manche Szenen lustig finden, obwohl wir sie gar nicht lustig gemeint hatten.

Ist „Blutsbrüdaz“ auch ein Gegenentwurf zu „Zeiten ändern Dich“, dem Bushido-Film?

B-Tight: Das sollte kein Gegenentwurf werden. Aber unser Film ist so anders geworden, weil wir ganz andere Persönlichkeiten sind.

Sido: Wir hatten ja auch einen ganz anderen Anspruch. Wir wollten einen Film über andere Leute drehen, nicht über uns. Bushido dagegen hat ja sein eigenes Buch verfilmt. Dafür ist Bushidos Film auch ganz gut gelungen. Der erfüllt seinen Zweck, die Biografie visuell umzusetzen. Aber die Leute haben wohl mehr erwartet. Die haben gedacht, Bushido knallt da Leute ab und verkauft Koks. Es hat die Leute enttäuscht, dass es im Film nicht so abging wie in seinen Songs. Uns ging es aber um was anderes. Wir wollten das Jahr 2000 darstellen, in dem der Berliner HipHop durchgestartet ist.

Könnte euch das auch passieren: dass manche enttäuscht sind, weil Ihr damals härter drauf wart als der von B-Tight gespielt Eddy und der von Sido gespielte Otis im Film?

Sido: Gut, es gibt jetzt keinen „Arschficksong“ im Film, aber dafür einen Song wie „Mund auf, Schwanz rein“. Da ist die schöne, ignorante Rapper-Attitüde schon noch drin.

Der sexistische Aspekt eurer Arbeit wird im Film ausgespart.

Sido: Ja, weil wir nicht wollten, dass die beiden dann sofort als Sexisten-Rapper abgestempelt werden. So wie ich für euch Journalisten ja auch immer noch der sexistische Rapper bin, weil ich einmal einen „Arschficksong“ gemacht habe.

B-Tight: Du Sexist!

Sido: Wegen einem Lied! Ich habe so viele andere schöne, supertolle Lieder mit Aussage gemacht. Mein Anspruch an den „Arschficksong“ war ja nicht, dass ich damit der Welt weiterhelfe. Aber wenn man einmal so ein Wort benutzt, wird alles andere außen herum gleich ausgeblendet. Nämlich die Lieder von mir, von denen ich glaube, dass sie der Welt weiterhelfen.

So einfach ist es nicht. Der frühe Sido hat nicht nur mit dem „Arschficksong“ schockiert. Die Songs von B-Tight waren noch expliziter.

B-Tight: Ich bin halt so.

Habt Ihr die ganz harten Lyrics ausgespart aus Angst, der Film könnte indiziert werden?

B-Tight: Ganz im Gegenteil. Es wurde uns sogar gesagt: Wir brauchen mehr Titten.

Sido: So ein Lied wie „Mund auf, Schwanz rein“ hatte ich ursprünglich gar nicht geschrieben. Das war eine Auflage, dass es so ein hartes Lied gibt.

Gelächter. Der nächste Joint wird gebaut.

Es gab nie Diskussionen um Dialoge? Keine Schere im Kopf?

B-Tight: Nein, gar nichts.

Sido: Auf keinsten. Da machen wir uns auch gar keinen Kopf. Wir wollten den Film so authentisch wie möglich machen, und da muss eben auch mal eine Mutter beleidigt werden. Was die FSK dann meint, müssen die wissen.

Und was hat die FSK gesagt?

Sido: Die hat den Film ab 12 Jahre freigegeben.

B-Tight: Tatsächlich?

Sido: Ja, soweit ich weiß.

Das ist ja schön.

Sido: Finden wir auch. Ab 12 kriegt man die ganze Familie ins Kino. Ab 16 wird es schwer.

B-Tight, hast du dich manchmal wie der Otis im Film gefühlt?

B-Tight: Nein, weil Sido ja auch nicht der Eddy war.

Aber du hattest nie den Erfolg, den Sido hatte.

Sido: Ja, damit musst du leben, Alter.

Du hast dich nie zurückgelassen gefühlt?

B-Tight: Nein, weil wir ja immer noch so oft wir können Zeit miteinander verbringen.

Sido: Ich baue ihn ja auch ein, so oft es geht. Das war eine Auflage von mir, dass der Bobby die Rolle spielt. Ich habe mit meinem Wort für ihn gebürgt. Das, was Otis und Eddy im Film passiert, wie die beiden vom Erfolg getrennt werden, das passiert bei uns nicht. Wir sorgen immer füreinander. Deswegen gibt es da keine Parallelen.

Euer Verhältnis hat sich nicht verändert?

Sido: Natürlich. Wir haben früher den ganzen Tag aufeinander gehockt.

B-Tight: Das geht heutzutage nicht mehr. Ich habe jetzt eine Familie, um die ich mich kümmern muss. Man hat weniger Freizeit, deshalb sieht man sich nicht so oft. Aber das Grundgefühl ist immer noch dasselbe wie vor 15 Jahren.

Sido: Wenn ich ein Konzert plane, rufe ich ihn an, weil er mitkommen muss. Wenn ich einen Film mache, muss er da auch mitmachen. Bobby ist immer in meinem Kopf an erster Stelle, wenn ich darüber nachdenke, mit wem ich das alles teile.

Hatte die unterschiedliche Entwicklung, die eure Karrieren genommen haben, auch etwas mit Rassismus zu tun?

B-Tight: Volle Kanne! Das sieht man doch! Also echt: Nein.

Sido: Es war sogar eher umgekehrt. Am Anfang unserer Karriere wollten die Leute von den Plattenfirmen eher Bobby haben, weil er schwarz ist. Er entsprach dem Klischee, dass ein Rapper schwarz zu sein hat.

B-Tight: Wer ist hier schwarz?

Lautes Gelächter. Der Joint wird angezündet.

„Blutzbrüdaz“, Regie: Özgür Yildirim. Darsteller: Sido, B-Tight, Milton Welsh, Tim Wilde, Florian Renner, Claudia Eisinger u.a. Deutschland 2011. 86 min