Nun hat auch Spanien seine Immobilienkrise

Der spanische Bauboom hat dazu geführt, dass drei Millionen überteuerte Wohnungen leer stehen. Die Krise droht sich auf die gesamte Wirtschaft auszuweiten. Die Regierung will eingreifen – mit einem Wohnungsbauprogramm

MADRID taz ■ Was Spaniens Politiker lange nicht wahrhaben wollten, tritt jetzt ein. Die Spekulationsblase im Immobiliensektor verliert Luft. Im nächsten Jahr werden die Wohnungspreise bis zu zehn Prozent zurückgehen. Das prophezeit die Beraterfirma Aguirre Newman. Die Studien der Deutschen Bank kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Wirtschaftsminister Pedro Solbes korrigierte die Vorhersage des Wirtschaftswachstum mehrmals nach unten. Jetzt sollen es weniger als drei Prozent werden.

In den vergangenen zehn Jahren hat Spanien wie kein anderes Land in Europa vom Boom im Wohnungsbausektor gelebt. Die Preise stiegen von 1997 bis 2007 rund 60 Prozent mehr als im internationalen Vergleich. Mancherorts verfünffachten sich die Quadratmeterpreise. Alle spekulierten mit, in dem sie Zweit- und Drittwohnungen kauften und leer stehen ließen. Jetzt ist der Markt gesättigt, denn immer weniger Menschen haben das Geld, um die völlig überteuerten Wohnungen zu erstehen. Im letzten Quartal wurden 16 Prozent weniger Wohnungen verkauft als im gleichen Zeitraum 2006.

Fallende Nachfrage – fallende Preise, lautet das wichtigste Gesetz der Marktwirtschaft, an dem auch Spanien nicht vorbeikommt. Die Wohnungsbauaktivität soll dank der negativen Preisentwicklung im kommenden Jahr um 40 Prozent zurückgehen. Die großen Immobilienagenturen und Baufirmen befürchten den Verlust von bis zu 400.000 Arbeitsplätzen. Dies wiederum dürfte eine Krise auch in anderen Sektoren zur Folge haben. Steigende Arbeitslosenzahlen führen zu immer mehr Zahlungsunfähigkeit bei den Wohnungskrediten.

Wo das enden kann, machen die USA vor. In Spanien gibt es zwar keine Risikohypotheken. Doch in den letzten Jahren waren die Banken mehr als großzügig, wenn es um die Abschätzung des persönlichen Kreditrahmens ging. Die Schulden der Spanier sind mittlerweile so hoch wie das BIP des Landes.

Die ersten großen Wohnungsbaugesellschaften haben bereits Konkurs angemeldet. Im April machte Astroc den Anfang. Im Oktober folgte Llanera an der valencianischen Mittelmeerküste, und zuletzt erwischte es Ereaga im Baskenland. Weitere große Wohnungsbaugesellschaften sind dabei, ihre Bankkredite neu zu verhandeln.

Jetzt eilt die Politik dem angeschlagenen Sektor zur Hilfe. Spaniens sozialistischer Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero will – sofern er wiedergewählt wird – 300.000 Eigentumswohnungen für sozial Schwächere bauen lassen. Sein Parteikollege und Landesvater im südspanischen Andalusien, Manuel Chaves, hat mit Baulöwen, Banken und Gewerkschaften gar einen Plan für 700.000 Wohnungen unterschrieben.

Gleichzeitig stehen drei der insgesamt 20 Millionen Wohnungen in Spanien leer. Viele wurden nur gekauft, um zu spekulieren. Aber keiner traut sich, die Besitzer mittels einer restriktiven Steuerpolitik zum Vermieten zu zwingen. REINER WANDLER