Kultuschefin als Schneewittchen

Die Erzählstunde der neuen Kultuspräsidentin. Oder: Wie der Koordinator der Pisastudie, Andreas Schleicher, die Kultusminister als Märchenfiguren bezeichnet

BERLIN taz/AP ■ Es war einmal eine angehende Präsidentin der Ministers für Kultus und Schule, die nannte sich Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und sie erzählte Folgendes: „Viele Defizite [der Schüler] treten schon vor dem Schuleintritt auf, dort müssen wir ansetzen!“ Daher werde sie ihre Präsidentschaft der ganz frühen Bildung widmen, den Kleinkindern also. Und von den Problemen im niederen Schulwesen, vulgo den Hauptschulen, fürderhin schweigen.

Die Kultuskönigin aus dem Bezirk Saar, die am 16. Januar kommenden Jahres offiziell das Zepter übernimmt, zeigte sich durchaus ungnädig mit ihrem Vorgänger Jürgen Zöllner (SPD). „Man kann nicht nur die föderale Kompetenz für sich beanspruchen, man muss auch in der Lage sein, über Länderdifferenzen hinweg gemeinsame Positionen zu finden“, rüffelte sie Zöllner und seine Kultuskollegen. Die Kultusminister versprechen seit der ersten Pisastudie anno domini 2001 zu klären, wie man Lehrer ausbilden will. Allein die Ministers konnten bei ihren Reichstagen bis heute zu keinem Beschlusse über die Magister kommen. Königin Kramp-Karrenbauer versprach nun, bis 2009 Einstimmigkeit zu erzwingen.

Dito zur Pisastudie, dem Wettstreit der Schüler der Welt, wusste sie eine Geschichte zu erzählen. Kramp-Karrenbauer will einen Abgesandten aus Paris zu den Kultusministern einbestellen – „weil wir klären müssen, welches Ziel wir mit Pisa verfolgen“. Wenn man vergleichbare Ergebnisse haben wolle, dann müsse man die Regeln der Schülerolympiade ändern, sagte sie. Insgesamt nehmen 57 Staaten teil – ob die alle mitmachen, nur weil das Saarland den Pisa-Wettkampf ändern will?

Der Koordinator der Pisastudie in Paris, Andreas Schleicher, hörte die Kunde aus dem Saarland wohl. Er sagte: Wenn ein Land die Kinder des 21. Jahrhunderts von Lehrern mit einem Ausbildungsstand des 20. Jahrhunderts in einem Schulsystem aus dem 19. Jahrhundert unterrichten lässt, „dann kann das so nicht funktionieren.“ Und dann erzählte Schleicher eine Geschichte, die sich anhört, als sei sie wie ein Gleichnis auf die teutschen Ministers der Kultusangelegenheiten gemünzt. Schleicher sagte: „Als kleines Kind hat man mir das Märchen vom Schneewittchen erzählt, in dem sich die Königin regelmäßig im Spiegel betrachtete und sehr unglücklich wurde, als sie eines Tages bemerkte, dass sie nicht mehr die Schönste war. Sie war aber nicht bereit, sich zu verändern, sondern schob die Schuld auf andere und versuchte diejenige, die sie mit der Wirklichkeit konfrontierte, zu vergiften. Als sich das Ergebnis auch nach dreimaligem Betrachten im Spiegel nicht verbesserte, warf sie den Spiegel schließlich hin. Genützt hat es ihr nichts, aber ihrem Königreich hat es sehr geschadet.“

ROBERT CÄSAR

Setze Kramp-Karrenbauer für Schneewittchen, Pisa für Spiegel und Deutschland für Königreich. Der Bote dieser Nachrichten, die Agentur AP, bezeugt die volle Richtigkeit aller Zitate!