Editorial

Flowerpower, freie Liebe, weg mit dem Muff von tausend Jahren: 1968 ist mehr als ein bestimmtes Jahr, es markiert eine Zäsur. „Achtundsechzig“ – wer diese Zahl ausspricht, benennt ohne viel Worte ein ganzes Bündel von Ereignissen, die unabhängig voneinander um dieses Jahr herum an vielen verschiedenen Orten – von Paris über San Francisco oder Berlin – stattgefunden haben.

Warum wir diese Sonderausgabe zu ’68 besonders den bundesdeutschen Verhältnissen gewidmet haben, ist dem Umstand geschuldet, dass in diesen Jahren die Nachkriegsverhältnisse – Nicht nur unter Talaren / Muff von tausend Jahren – aufbrachen. Die Sechzigerjahre – eine Ära, in der die Bereitschaft wuchs, sich den Jahren der nationalsozialistischen Barbarei zu stellen. Eine Zeit, in der die Geschlechterverhältnisse zum Tanzen kamen, in der die bürgerliche Kleinfamilie einer strengen Prüfung unterzogen wurde, außerdem Schule und andere Institutionen einer antiautoritären Revision ausgesetzt wurden. Es waren Jahre, die das Prädikat des Titels dieser taz verdienen: „Lang lebe die Rebellion!“

Die taz wird nächstes Jahr eine Menge andere Perspektiven zum 40. Geburtstag von ’68 veröffentlichen – auch aus Europa, aller Welt, von den Schauplätzen der Kämpfe um Teilhabe an einer besseren Welt.

Zehn Jahre vor ’68 begann in der Bundesrepublik das, was heute unter Multikulti verstanden wird und was damals schlicht die Rekrutierung von Gastarbeitern bedeutete. Ihre Kinder sind oft längst Deutsche, StaatsbürgerInnen der Bundesrepublik wie andere. Könnte es nicht sein, dass auch diese irgendwann rebellisch einklagen, nicht mehr untertänig sein zu wollen, nur als Opfer erkannt? Sondern ihr ’68 beginnen – eine Art ’08?