Abwarten und nichtrauchen

Einen Tag vor Inkrafttreten der Nichtraucherschutzgesetze in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg sind viele Wirte gelassen. Sie setzen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Rauchverbot

Das Bremische Nichtrauchergesetz verbietet bereits seit April 2006 das Rauchen in Schulen und Krankenhäusern. Nun wird es unter anderem auf die Gastronomie ausgedehnt. Weiterhin geraucht werden darf auf traditionellen Veranstaltungen wie dem Schaffermahl.

Die Bestimmungen des Nichtraucherschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern ähneln denen in Bremen.

In Hamburg gilt das Hamburger Passivraucherschutzgesetz. Ausgenommen vom Rauchverbot sind hier abgetrennte Räume sowie Einrichtungen des betreuten Wohnens.

Das Niedersächsische Nichtraucherschutzgesetz ist seit August auch in Kneipen in Kraft. Ende Oktober endete eine Übergangsfrist.

Immerhin: In Schleswig-Holstein ist das Rauchen in Festzelten an bis zu 21 Tagen erlaubt. RTR/GBE

VON GRIT BEECKEN

Die Hoffnungen norddeutscher Wirte ruhen auf dem Aktenzeichen A7 1 BvR 3262/07. Unter dieser Ziffernfolge wartet die Verfassungsbeschwerde des Tübinger Gastronoms Ulrich Neu wegen Verletzung der Berufsfreiheit und des Rechts auf Eigentum auf eine Entscheidung der Karlsruher Richter. Und mit ihm wartet ein Großteil der norddeutschen Kneipeninhaber.

„Ich warte erst mal ab, was mit unseren Umsätzen passiert. Und was die Karlsruher Richter entscheiden“, sagt etwa Etkin Bayer, die Wirtin des „Familieneck“ in Hamburg-Altona. Rund 80 Prozent ihrer Gäste seien Raucher –und die will sie ab morgen zum Tabakkonsum auf die Straße schicken. Die Stärkung der Nichtraucherrechte sei grundsätzlich richtig, sagt Bayer. Problematisch hingegen werde es „die Leute zum Rauchen rauszuschicken und sie dann auch noch zum Leise-Reden zu bringen, damit die Anwohner nicht gestört werden. Auch deswegen hoffe ich, dass die Verfassungsklage Erfolg haben wird.“

Drei Klagen gegen die Nichtraucherschutzgesetze sind laut einer Sprecherin inzwischen beim Bundesverfassungsgericht eingegangen – neben der aus Tübingen zwei weitere aus Bayern und Hessen. Dass noch kein norddeutscher Wirt geklagt hat, erklärt Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Niedersachsen: „Das Bundesverfassungsgericht wird nur solche Kläger akzeptieren, die über längere Zeiträume auf Umsatzeinbußen verweisen können.“ So weit sei man aber in Niedersachsen noch nicht: Übergangsregelungen hätten zunächst das Weiterrauchen bis Ende Oktober ermöglicht. Weil sie als Verband nicht selbst als Kläger auftreten kann, unterstützt die Dehoga Verfassungsklagen ihrer Mitglieder. „Wir bemühen uns jetzt um einen niedersächsischen Beschwerdeführer und sind zuversichtlich, dass wir einen finden werden“, sagt Balke.

Der Verbandsfunktionär rechnet damit, dass viele Niedersachsen Silvester wegen des Rauchverbots in anderen Bundesländern feiern: In Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern treten die jeweiligen Nichtraucherschutzgesetze erst zum 1. Januar 2008 in Kraft. Für die Silvesterfeier wollten einige niedersächsische Wirte nun extra ein Zelt anmieten für Raucher. Das sei mit immensen Kosten verbunden, sagt Balke. Bereits in den vergangenen Wochen seien viele Firmen mit ihren Weihnachtsfeiern auf Lokale in Bremen ausgewichen. Teilweise setzten die Gäste die Wirte regelrecht unter Druck, weil sie rauchen möchten. Auf eine Ausnahmegenehmigung zu Silvester hoffe wohl kein Gastwirt in Niedersachsen mehr.

In Hamburg hingegen wird es in der Silvesternacht keine Kontrollen geben. Und auch im Anschluss ist es um die hanseatischen Kneipenkontrollen eher schlecht bestellt: In Hamburg sollen die Lebensmittel-Inspektoren die Einhaltung des Rauchverbots durchsetzen. Doch die sind eigentlich für die Hygiene in Küchen zuständig und damit auch ausgelastet. Neue Planstellen sind nicht in Sicht. Daher werden die Behörden laut einem Sprecher nur dann eingreifen, wenn sich Gäste über Raucher beschweren. Zudem existiert nach Angaben der Hamburger FDP eine interne Handlungsanweisung, im Januar und Februar keine Bußgeldbescheide zu erlassen. „Es steht nicht im Ermessen der Verwaltung ein Gesetz teilweise außer Kraft zu setzen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende der FDP, Burkhardt Müller-Sönksen. „Das ist das Eingeständnis, dass das Hamburger Gesetz auf Seiten der Behörde nicht angemessen begleitet werden kann.“

Ausgenommen von den meisten Nichtraucherschutzgesetzen sind abgetrennte Raucherräume. Nach Auskunft des Bezirksamts Hamburg-Altona beantragen jedoch nur wenige Wirte solch ein Séparée. Dafür gebe es umso mehr Anfragen: „Die Wirte wollen wissen, wie sie eine Raucherzone beantragen können, warten aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab“, sagt ein Amtssprecher.

Die Inhaber der Hamburger Bar „Red Lounge“ richten bereits jetzt einen Raucherraum ein. „Wir hatten Glück, dass wir gerade ausbauen wollten und ein abgeschlossener Raum vorhanden war“, sagt Mitinhaber Ercan Celebcioglu. Im Januar werde ein Lüftungstechniker den Raum begutachten, Ende Januar solle der Barteil dann für Raucher freigegeben werden. Die Kosten von mehreren tausend Euro, sagt Celebcioglu, übernehme anteilig ein Tabakkonzern. Sein Personal sei angehalten, Raucher bereits ab morgen anzusprechen und auf das Gesetz hinzuweisen.

Denn Wirten, die das Rauchen in ihren Etablissements nach Neujahr gestatten, drohen in Hamburg Bußgelder von bis zu 500 Euro. Im benachbarten Schleswig-Holstein sind Verstöße teurer: Hier liegen die Bußgelder bei bis zu 1.000 Euro – und das schon in der Silvesternacht. „Feuerwerk an, Zigarette aus“, sagt denn auch der Sprecher des Kieler Gesundheitsministeriums, Christian Kohl. In Mecklenburg-Vorpommern müssen Wirte sogar bis zu 10.000 Euro zahlen.