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Wojtylas Wunschkandidat gekürt

Ost-Berliner Kardinal Meisner wird Kölns neuer Erzbischof / Gerangel um Besetzung der Chefstelle in der reichsten Diözese der Welt vorerst beendet / Wahlordnungstrick des Vatikans brachte den Durchbruch  ■  Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Nach monatelangen Auseinandersetzungen hat das Kölner Domkapitel dem zunehmenden Druck des Vatikans nachgegeben und mit dem erzkonservativen Berliner Kardinal Joachim Meisner (54) nun doch noch den Wunschkandidaten des Papstes zum neuen Erzbischof für die weltweit reichste Diözese gewählt.

Wie am Freitag aus zuverlässigen Quellen verlautete, ist Meisner offenbar bereits am Mittwoch dieser Woche von dem 16köpfigen Domkapitel im dritten Wahlgang mit einer einfachen Mehrheit gewählt worden. Zuvor war auf Betreiben des Vatikans eigens die Wahlordnung geändert worden, die nunmehr im dritten Wahlgang lediglich eine relative Mehrheit der Voten erforderte. An dieser Hürde einer absoluten Mehrheit war der Papst-Favorit Meisner in den letzten Monaten jedoch stets gescheitert.

Die dem Domkapitel zur Wahl präsentierte Dreier-Liste aus dem Vatikan war von den Domherren als offene Brüskierung verstanden worden, weil sie ausschließlich ausgesprochen romtreue Kandidaten enthielt und sämtliche acht Vorschläge aus den Reihen des Kölner Erzbistums ignoriert hatte. Als sich im Domkapitel für keinen der drei Papst-Kandidaten eine ausreichende Mehrheit fand, drohte Rom sogar damit, den in Ost-Berlin residierenden Meisner im Alleingang zum neuen Kölner Erzbischof zu berufen.

Im Laufe des Freitags bemühte sich der Vorsitzende des Kölner Domkapitels, Dompropst Bernhard Henrichs, bei den beiden Regierungschefs von Nordrhein-Westfalen und Rheinland -Pfalz um die nach dem Konkordat (Vertrag zwischen Staat und Kirche) notwendige Zustimmung für den mit relativer Mehrheit gewählten Meisner. Nach dem Konkordat steht den beiden Landesregierungen eine 20-Tages-Frist zu, innerhalb der sie „politische Bedenken“ gegen den Gewählten geltend machen können. Dompropst Henrichs soll die beiden Ministerpräsidenten jedoch um eine schnelle Zustimmung gebeten haben, damit Meisner noch vor Weihnachten von Papst Johannes Paul II. offiziell zum neuen Kölner Erzbischof berufen werden kann.

Der Vatikan geht wohl davon aus, daß Weihnachten friedlich stimmt. Bei den Landesregierungen in Düsseldorf und Mainz gab es am Freitag keinerlei Hinweise darauf, daß sie gegen eine Versetzung des Berliner Kardinals nach Köln politische Bedenken geltend machen werden, nachdem Meisner in einem „ordentlichen Wahlgang“ durch das Domkapitel gewählt worden ist.

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