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Ist Kultur überhaupt noch bezahlbar?

Die, die eh nichts zu bieten haben, blieben lieber weg / Kupo-Hearing im Palast  ■  Aus Berlin Olaf Kampmann

Es stimmt schon - doll war es nicht, was da an Aktivitäten geboten wurde. Nicht etwa, daß es etwas an der Qualität der Darbietungen zu bemängeln gegeben hätte - die war so gut und so schlecht wie bei anderen Veranstaltungen auch. Aber genau das war es ja gerade - diese verdammte Auswechselbarkeit!

Einzige Ausnahme: Eine Talkshow mit Vertretern von zur Wahl stehenden politischen Parteien und Gruppierungen. Thema: Kultur im allgemeinen und der Palast als zukünftiges Kulturzentrum im besonderen. Da aber zu erwarten stand, daß ein relativ kritisches, weil mit kulturellen Dingen tagtäglich befaßtes Publikum zugegen sein würde, zogen es die Parteien, die zur Zeit über die höchsten D-Mark-Bestände (und also über die höchste Wählergunst) verfügen, vor, erst gar nicht zu erscheinen. Schließlich könnte es ja sein, daß da ein paar unbequeme Fragen gestellt und - schlimmer noch konkrete Antworten eingefordert werden würden! Heiß war die Diskussion trotz allem und mit manchem ging das Temperament durch. Manchmal war man geneigt sich zu wünschen, daß der kommende Premier- oder Kulturminister aus den Reihen der sich da vorstellenden Drei-Prozent-Parteien käme; ging es doch in all den Reden tatsächlich um Argumente, um anstehende Probleme und deren (un-)mögliche Lösung. Wenn da bloß nicht dieser sich die Gesprächsleitung anmaßende Fernsehtheater-Schmarren-Mensch gewesen wäre ... Dennoch von welchen tatsächlich demnächst in der Regierungspolitik relevanten Wahlkämpfern hätte man wohl je solche Worte gehört, wie beispielsweise von Irene Runge. „Kultur ist ein wesentliches Element einer effektiven Marktwirtschaft!“

Die in der Initiativgruppe für Frieden und Menschenrechte engagierte Kulturwissenschaftlerin hatte es nicht nötig, um Stimmen zu buhlen; sie machte auch vor (bei den Adressaten natürlich nicht angekommenen) ausgemachten Publikumsbeschimpfungen nicht halt: „Kultur beginnt mit der ganz normalen Alltagskultur, der politischen Kultur, der Kultur des Umgangs mit Leuten die anders sind als ich!“ Und nicht zuletzt sei auch der Umgang mit den Menschen der dritten und vierten Welt vom Kulturbegriff als solchem nicht zu trennen. Alles Sätze zum aufschreiben. „Wenn wir uns auch den Brecht nehmen lassen, dann haben wir bald nur noch 'Marktkultur‘!“ Es machte Hoffnung mitanzusehen, daß es so engagierte Leute wie Wolfgang Templin gibt, die für eine einfache Gerechtigkeit, welche scheinbar so schwer herzustellen ist, eintreten. „Die Ausbeutung und Isolation der hier lebenden Ausländer muß endlich aufhören. Die Isolation der Ausländer bei uns bedeutet letztlich nichts anderes, als daß wir uns von ihnen isolieren. Diese Isolation muß aufgebrochen werden, und zwar von unten!“

Es gibt ja manchmal Dinge, die man sich einfach nicht erklären kann. Obwohl doch deren Lösung - im Nachhinein gesehen - so simpel ist. Zum Beispiel: Wie kommt bloß so ein intelligenter und scheinbar auch weitsichtiger Mann wie Pfarrer Friedrich Schorlemmer mit einer derartigen Wischiwaschi-Partei wie der DDR-SPD zurecht? Ganz einfach er paßt sich an und redet Wischiwaschi! Frage: Wie kann man die Kultur, die in diesem Land vierzig Jahre lang gewachsen ist, vor dem zunehmenden Einfluß des Kommerzes schützen? Schorlemmer: „Die Mehrheit der DDR-Bevölkerung will zur Zeit nun mal keine Kultur, sondern hartes Geld, da kann man nichts dagegen machen. Völlig falsch wäre es, jetzt auf die Hilfe einer wie immer auch zusammengesetzten neuen Regierung zu hoffen.“ So der nicht ganz unbekannte Vertreter derjenigen Partei, die aller Voraussicht nach die Regierung übernehmen wird.

Friedrich Schorlemmer war sozusagen privat anwesend, nicht im Auftrag seiner Partei. Aber auch andere Parteien, die nach dem 18. März doch allzugern das Ruder übernehmen möchten, glänzten durch Abwesenheit. Ob CDU, LDP, FDP, DSU oder der sich demokratisch nennende Aufbruch des Herrn Schnur - mit der Kultur haben sie es wohl alle nicht so sehr am Hut. Dieses Desintersse jedenfalls war es, das einen Mitorganisatoren der Veranstaltung dermaßen in Rage versetzte, daß er gegen Ende der Diskussion erbost ins Mikrofon rief: „Solche Ignoranz werden wir uns nicht gefallen lassen! Wir bleiben solange im Palast, bis es die Herren für nötig halten, uns hier Rede und Antwort zu stehen!“

Ein Ausbruch mit Folgen.

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