Kriminalisten stehen zusammen

■ Bildung einer AG „Innere Sicherheit“ von Ost- und Westkriminalisten angeregt

Berlin (taz) - Während sich allerorten der Eindruck verbreitet, die DDR hätte außer unverfrorener Sozial -Forderungen nichts zur deutschen Einheit beizusteuern, wissen sich die Ost-Kriminalisten bereits als „gebende Partner“. Das bestätigte ihnen nebst Lob für eine ganz „vorzügliche Ausbildung“ der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten (BdK) der BRD, Ingo Herrmann, nach einem zweitägigen Treffen von 60 Fachleuten aus beiden deutschen Republiken am vergangenen Wochenende in West-Berlin.

Die Einschätzung verwundert nicht, war doch in der DDR das Kriminalisten-Ideal vom „gläsernen Menschen“ weitgehend Wirklichkeit und die Ermittlungstätigkeit nicht von allerlei pimpeligem Datenschutz behindert. Der hohe Stand kriminologischer Forschung und Lehre kam allerdings nicht in erster Linie den VP-Kriminalisten zugute, sondern der Staatssicherheit, die an der Humboldt-Universität zu Berlin ihre Kader schulte.

Dies löbliche Wissen, erworben und verfeinert von den Untersuchungsorganen der Staatssicherheit, die auch sämtliche Kapitalverbrechen in ihre Zuständigkeit nahm und der Polizei nur die Hatz nach den Fahrraddieben ließ, soll nun zur Abwehr einer neuen Kriminalität in Anschlag kommen. Uwe Beier vom DDR-Verband der Kriminalisten (Gründung 20. Januar 1990!) hält jedenfalls „neue soziale Bedingungen“ nach der Währungsunion und nachfolgenden Kriminalitätsschub für ausgemacht. Gegen die kriminologischen Unwägbarkeiten aufkommender Arbeitslosigkeit setzen die Ost-Kriminalisten nun die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze. Billiger als Sozialaufwendungen kommen die so auf neue Weise staatstragenden Experten allemal. Überhaupt gibt man sich fernab aller ideologischen Empfindlichkeiten. Die Fachleute aus Ost und West regten deshalb sogleich die Bildung einer „Arbeitsgemeinschaft Innere Sicherheit“ an, um ihr wertfreies Know-How zur Bekämpfung von DDR-Neuheiten wie Rauschgiftkriminalität und organisiertem Verbrechen zusammenzuführen.

Allein zu Schutz und Nutz der BürgerInnen läßt sich so sicher einiges von den paradiesischen Zuständen der alten DDR in bezug auf unbürokratische Amtshilfe und optimaler dienstlicher Zusammenarbeit ins neue Deutschland retten. Schutzbegehren wollte vermutlich auch BdK-Vize Eike Bleibtreu suggerieren, als er orakelte, mit der D-Mark käme auch die RAF ins östliche Land, um ihre Finanzen in den verträumten Sparkassen aufzubessern.

Aber gegen all dies unvermeidbare Elend wollen nun die ehedem feindlichen Kriminalisten-Brüder zusammenstehen. Unzweifelhaft werden unter ihnen auch kurzfristig herrenlose Spezialisten der Staatssicherheit sein, für deren perspektivische Übernahme in das gesamtdeutsche Ressort Bundesinnenminister Schäuble sogar die Worte „Aussöhnung“ und „Neubeginn“ bemühte.

Stefan Schwarz