Der Millionen-Coup: Die Staatliche Versicherung

■ Die Staatliche Versicherung der DDR steht vor einer Strukturreform /Angst unter der Belegschaft vor einer Fusion mit der DVAG /Funkstille in der Generaldirektion /Warnstreik für kommenden Dienstag angekündigt

Berlin taz - Die Belegschaft der fast ausschließlich Frauen angehörenden Kreisdirektion Mitte der Staatlichen Versicherung der DDR mit Sitz in der Brüderstraße 11-12 ist verunsichert. Seit Jahresbeginn kursieren Gerüchte über von der Generaldirektion geführte Verhandlungen mit verschiedenen westlichen Versicherungsgesellschaften.

Als Indiz dienten den argwöhnisch gewordenen AngestelltInnen häufig auftauchende gut gekleidete Herren in dicken Mercedis-Benzen, die das ehemals der Feuersozietät gehörende Haus inspizierten.

Am 26. Februar informierte der Kreisdirektor seine MitarbeiterInnen auf einer Gewerkschaftsversammlung über eine bevorstehende Versicherungsreform. Diese würde die Aufgabe des staatlichen Versicherungs-Monopols, eine an der Marktwirtschaft orientierte Konkurrenz und auch Entlassungen nach sich ziehen.

Gegenüber AngestelltInnen fielen solche Bemerkungen zu möglichen Versicherungsanstalten, mit denen verhandelt wird wie: „es wird kein Partner mit nur zehn Prozent Anteil am BRD-Markt sein.“ Den MitarbeiterInnen wurde im selben Atemzug versichert, die Versicherung ist krisenfest, es besteht demzufolge keine Sorge um den Verlust des Arbeitsplatzes.

Nun interessiert es die Belegschaft, mit wem hier Gespräche geführt werden, wer der große Partner sein soll, der ins Geschäft einsteigt. In der Generaldirektion herrscht zu diesem Thema ebenso totale Funkstille wie in den Medien.

Neben dem potentiellen Fusions-Anwärter, der „Deutschen Versicherungs Aktiengesellschaft“ DVAG soll auch die „Allianz“ und die „Nürnberger“ mit von der Partie sein, was nicht verwundert, es geht schließlich um 16 Millionen.

Wie ein der Redaktion der taz bekannter Angestellter der Staatlichen Versicherung äußerte, steht zu befürchten, daß die ergrauten gestrigen SED-Direktoren (und Miteintreiber von Geldern für den maroden Staat) mehr an ihre eigene Zukunft beim Verhandeln denken, als an irgend einen Mitarbeiter.

Am Dienstag (13. März) beschloß die Kreisdirektion Mitte, einen Warnstreik durchzuführen, falls nicht die Karten auf den Tisch kommen.

Am Mittwoch schrieb die Belegschaft einen Brief an den Generaldirektor Hein, in dem sie einen einstündigen Ausstand für den kommenden Dienstag ankündigten. Denn daß die marktwirtschaftlich inkompetenten Direktoren der StV irgend etwas Gutes für die VersicherungsangestelltInnen herausholen, daran wollte keiner mehr so recht glauben.

Auch das Nichtfunktionieren der Gewerkschaft hat zu dieser Situation der Sprachlosigkeit und Handlungsunfähigkeit der Belegschft geführt.

Andre Beck