Der Wahl-countdown läuft

■ Hunderte von Fernsehkameras schauen auf die DDR / Internationale Wahlbeobachter: „Bisher keine Wahl mit soviel Wahlkämpfern aus dem Ausland“

Berlin (taz) - Mehr als 2.000 Journalisten aus aller Welt, ganze Trupps von internationalen Wahlbeobachtern und Heerscharen von Fernsehteams - die ganze Welt scheint auf die ersten und damit wohl auch letzten freien Wahlen in der DDR zu gucken. Einen Tag vor Öffnung der 22.000 Wahllokale erweckt Berlin den Eindruck einer eher widerwillig zur Weltmetropole umfunktionierten Großstadt.

Im Internationalen Pressezentrum, dem zentralen Anlaufpunkt für sämtliche Journalisten, drängeln sich aufgeregte Reporter mit Cowboy-Hut, Maßanzug oder indischem Gewand um die Terminaushänge für die letzten Wahlveranstaltungen. Der Vorplatz des Palastes der Republik gleicht seit Tagen einem Campingplatz. Hier, vor dem Sitz des zentralen Wahlstudios, wo ab Sonntagnachmittag Politiker, Prominente, Wirtschaftsvertreter und ausgewählte DDR-Bürger erste Stellungnahmen zur Wahl in die Kameras sprechen sollen, sind riesige LKWs der Fernsehanstalten mit Kränen und überdimensionalen Parabolantennen vorgefahren.

Während die Spitzenkandidaten der Parteien und ihre westlichen Politimporte im Eiltempo die letzten Wahlveranstaltungen absolvieren, haben sich auch die internationalen Wahlbeobachter eingefunden. Wohl zahlenstärkste Beobachtergruppe ist die zehnköpfige Delegation des Europarats, bestehend aus Palamentariern verschiedener westeuropäischer Länder.Ihre Bilanz nach Abschluß der Wahlen wird eine Vorentscheidung dafür sein, ob die DDR als Gastmitglied im Europarat aufgenommen wird.

Die Delegation soll vor allem prüfen, ob die Parteien während des Wahlkampfes gleiche Chancen hatten und ob die zwölf Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmzettel ungehindert abgeben konnten. Bisher, so erklärte der Vorsitzende der Europarats-Delegation, hätten die Wahlbeobachter keinerlei Zweifel an einer fairen und korrekten Duchführung der Wahlen.

Daß das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen in Bonn den DDR-Wahlkampf mit einer 7,5 Millionen DM dicken Finanzspritze versehen hat, die zu mehr als der Hälfte an die CDU-Partnerparteien ging, fanden die Wahlbeobachter nicht erwähnenswert. Auf die Frage, ob die internationale Delegation jemals einen Wahlkampf kontrolliert hätte, in den sich so viele Politiker aus dem Ausland eingemischt hätten, antwortete der Leiter der Wahlbeobachter: „Nein, nicht daß ich wüßte.“ Zumindest ein Mitglied der Beobachter -Delegation, der FDP-Politiker Feldmann, mußte dabei denn auch eingestehen, daß seine eigene Partei selbst in den DDR -Wahlkampf eingegriffen hat.

Ve.