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Ami stay here !

Nun sollen sie also verschwinden aus Deutschland, die US -Armee und die Truppen der Siegermächte. Noch ist der künftige militärische Status der um die DDR erweiterten Bundesrepublik ziemlich ungeklärt, aber daß die Zeit ausländischer Militär-Präsenz auf „deutschem Boden“ abgelaufen ist, scheint ausgemachte Sache. Fraglos ein Grund zur Freude - nur ein abgeschaffter Soldat ist ein guter Soldat -, aber schnell erschreckt der Beifall von zwei falschen Seiten: In einem einzigen Punkt waren sich die militante Linke und Rechte immer einig, für die militanten Kader von Baader bis Kühnen war die US-Armee das Feindbild Nr.1. Die einen bezichtigten die USA, mit SA/SS in einer Linie zu stehen, für die anderen waren sie das genaue Gegenteil: Sie verhinderten als „Besatzungsmacht“, daß die braunen Reihen wieder geschlossen werden konnten. Zwei Zerrbilder, die in abgemilderter Form auch in moderateren Kreisen gepflegt wurden: in der national-konservativen Ecke als ein gegen die Dekadenz des Fordismus und der Oberflächlichkeit gerichteteter Anti-Amerikanismus und auf sozialistischer Seite als gegen die brutale Gefräßigkeit des Kapitals gewendeter Anti-Imperialismus. In beiden Projektionen steckt ein Stück Wahrheit: Heideggers an Amerika festgemachte Kritik des Molochs Technik war nicht aus der Luft gegriffen, die Proteste der 68er gegen den Völkermord in Vietnam und das Weltsheriff-Gehabe der USA nur zu berechtigt. Und bis heute können wir uns über die magen und umweltzersetzende Fastfood-Kultur, die Waffenhilfe für die Contra oder die gnadenlosen Praktiken der United Fruit Company aufs höchste erzürnen und erregen - doch kommt mir neuerdings und nicht von ungefähr immer häufiger der innige Wunsch: Ami stay here!

Wir haben Dich beschimpft und Deine Präsidenten Verbrecher genannt, Deine Ledernacken und Marines sind uns die Ausgeburt der Hölle, und die dumpfen TexanerInnen belegen auf der nach oben offenen Erleuchtungsskala einen Platz im Keller - aber: Wir haben begeistert Eure Nationalhymne gehört, von Jimi Hendrix; wir sind mit Daddy's car und Musik aus dem AFN durch die Gegend gedüst, und es war geil; wir haben werk-und feiertags Jeans getragen und die Füße auf den Tisch gelegt; daß es gute Gedichte gibt, hörten wir erst bei Dylan, Zappa oder Lou Reed, und Euer Analphabet Chuck Berry alphabetisierte unsere preußischen Körper; wir haben mit Donald Duck einen beautiful looser zu unserem Helden gemacht und etwas Besseres, als Verlierer zu ehren, kann eine notorische Heldennation gar nicht tun; wir haben den verheerenden Tiefgang der teutonischen Seele mit den praktischen Höhepunkten Eures way of life kuriert: Sex, Drugs und Rock'n Roll - vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluß, aber wir haben viel gelernt. Und die Botschaft gehört und beherzigt: Politik der Ekstase und cool bleiben!

Wir haben uns vom Stechschritt verabschiedet und von Schlips und Kragen, wir haben unser Blockwart-Bewußtsein in Richtung individuelle Freiheit erweitert und den Blut-und -Boden-Tick der Toleranz weichen lassen, kurz: die amerikanische Armee ist der hervorragendste Kultur-Importeur dieses Jahrhunderts. Es ist kein Zufall, wie uns die Bewohner der ehemals sowjetischen Zone nach Öffnung der Grenzen erscheinen: Sie streben nach eben jener Kultur, und sie kommen als stonewashed people. Kann es ein überzeugenderes Votum für die Präsenz Amerikas auf deutschem Bodem geben? Zugegeben: Um den kulturellen Segen unter all dem auf uns niederprasselnden US-Müll zu bewahren, bedarf es nicht der Anwesenheit von Soldaten. Solange die aber nicht abgeschafft sind und sozusagen Auswahl besteht, sind, im Unterschied zur Bundeswehr, GIs zwischen Alpen und Nordsee unverzichtbar - nicht aus militärischen Gründen, sondern um das kulturelle Roll-Back in völkische Bayern- und Sachsen -Seligkeit zu verhindern. Schließlich ist noch die 5.000. „Dallas„-Wiederholung jedem „Musikantenstadl“ vorzuziehen, von „Raumschiff Enterprise“ ganz zu schweigen...

Mathias Bröckers

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