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Treffen Junge Musik-Szene 1990 im Quasimodo

■ »Schüler machen Lieder«

Doof geboren wird keiner, heißt es in einem der Stücke des Grips-Theaters, doof wird man gemacht. In der ersten Reihe der Doofmacher steht natürlich die Bundesregierung, und kein geringerer als Herr Dr. Fritz Schaumann, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft, Unterabteilung Spezielles und Diverses, hat sich qua Amt der Neutralisierung musikalisch interessierter Jugendlicher verschrieben. In seinem Grußwort zum Treffen Junge Musik-Szene 1990, vormals Bundeswettbewerb »Schüler machen Lieder« lobt er »das große Interesse« der Kleinen an der freiwilligen Zähmung, die am Wochenende im Quasimodo beschaut werden kann.

Das Zureiten der jungen Liedermacher, Bluesmusiker, Rapper und Schlagersänger gehört zum kleinen Einmaleins der Aufstandsbekämpfung. Denn: wer seine Ideen frei äußern kann, verliert womöglich die Lust, dem künstlerisch aufbereiteten Lippenbekenntnis Taten folgen zu lassen. Durch die behutsame Auswahl junger Künstler durch kompetente Juroren ist mit Widerstand ohnehin nicht zu rechnen. Den Schülerinnen und Schülern wird der Schneid durch die kostenlose Reise nach Berlin abgekauft — der Rest ist Routine.

Zum ewig gleichen Repertoire jugendlicher Befindlichkeit gehören Songs über Drogen (»Und zu meinem angeblichen Wohl/ wird jeden Tag der Alkohol/ von seiner Mörderhand mir eingeschenkt«), Liebesleid (»Baby, du hast mich gebeten, dir mehr Zeit zu geben/ und ich sag' dir, du kannst haben, was du willst«), Sozialkritik (»15 Joahr, koine Hoar, was isch doa bloß los? 's Heisle näbam Kerngraftwerg, doa isch d'r Ärg'r groß«) und Klamauk (»Schule — ahh! Schule ahh! Schule ist Schloß Schreckenstein/ jagt den Kindern Schrecken ein!«). Schöner könnte auch das Krippenspiel einer westdeutschen Grundschule nicht geraten. So bieder wie in der Schülermitverwaltung werden beim Treffen Junge Musik-Szene demokratische Umgangsformen eingeübt, die so sauber sind wie die U-Bahnsitze der Linie 1, nachdem ein gewisser Charlottenburger Malermeister kurz zuvor saubergemacht hat. Stefan Gerhard

ab 19 Uhr im Quasimodo

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