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Die Mitläuferschuld

■ Über Klaus Dedes Buch zu August Hinrichs

Eine Oldenburger Heimatlegende ist gestorben. Klaus Dede, Journalist, Heimatforscher und Querulant hat auf 120 Seiten den Dichter August Hinrichs (1879-1956) seziert. Geblieben ist nach der Operation ein unansehnliches Gerippe, ein Mitläufergestell, das zwar „keinen Juden ermordet, keinen Christen denunziert und keinen Erblasser der Wehrmacht ausgeliefert“ hat, der aber das Nazi-Regime durch seine butterweiche Charakterlosikeit gestützt habe.

Hinrichs war seit 1937 Parteimitglied und leitete die Landesstelle der Reichsschrifttumskammer. Seine ersten Stücke schrieb der gelernte Tischler als Auftragsarbeiten für den Turnbund. „In seinem ganzen Leben hat der Heimatdichter nie einen eigenen Gedanken geäußert“, diagnostiziert „Doktor“ Dede nach der Operation. „Zu der mangelnden Intelligenz“ gesellte sich die „völlige Gesinnungslosigkeit“ als Lebensprinzip. „Er plapperte nach, was gerade dran war“: vor dem ersten Weltkrieg war Hinrichs kaiserlich, dann ... völkisch, dann liberal und, 1933, schließlich braun.

Der Fall Hinrichs ist ein Beispiel für die Charakterlosigkeit als Funktionsprinzip des Nazismus. Ein tragischer Fall auch deswegen, weil die Hinrichs-Rezeption offensichtlich bisher versäumt hat, die Rolle des Dichters angemessen zu erleuchten. Und auch Dedes Buch schließt diese Lücke nicht. Polemisch, bösartig und rhetorisch unangemessen scharf versucht Dede, die Leser seines im Eigenverlag erschienenen Buches auf seine Seite zu ziehen. „Wenn das Verhalten unseres Heimatdichters als ethisch gut bezeichnet werden kann, dann hatten all jene unrecht, die den Aufstand des Gewissens trugen.... und endeten mit Recht am Fleischerhaken in Plötzensee“.

Die Diktion des Buches ist vom Groll des Autors gegen die Oldenburger bestimmt, ein sprachlicher Rachefeldzug, dem auch geneigte Leser nur schwer folgen können. mad

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