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■ AUS POLNISCHER SICHTDer polnische Zoo

Die wichtigste und einflußreichste Sendung im polnischen Fernsehen heißt »Der polnische Zoo«. Es ist ein politisches Cabaret, jeden Samstagabend ausgestrahlt. Die Texte der Lieder und Dialoge werden Tierpuppen in den Mund gelegt, und die Tiere tragen Züge und besitzen Stimmen der bekannten Politiker.

Präsident Walesa ist ein Löwe, Tadeusz Mazowiecki eine Schildkröte, Adam Michnik ein Fuchs, Jacek Kuron ein Nilpferd usw. Die Charaktere sind perfekt getroffen, und als Zuschauer fragt man sich immer wieder, wie es dem Autor Marcin Wolski gelingt, die politische Lage bis up to date zu kommentieren. In der letzten Folge hing der designierte Permierminister Pawlak (in der Sendung ein junges Stierchen) die ganzen dreißig Minuten im Schrank auf einem Kleiderbügel.

So ist die politische Lage im Lande am synthetischsten erzählt: Wahrscheinlich schaffen es die Polen nicht, eine Regierung vor der Sommerpause zusammenzubasteln. Der Vorschlag der kleinen Koalition, Jacek Kuron und Jan Krzysztof Bielecki als Vizepremier der Regierung anzuschließen, fand kein Gefallen beim designierten Premierminister. Der hat seinen Rücktritt angeboten, allerdings ohne Erfolg bei dem Präsidenten, dem es inzwischen egal ist, wer der neue Premierminister wird, Hauptsache, es wird Pawlak werden.

Die Affäre mit den berüchtigten Stasi-Mappen, die von dem Team des ehemaligen Innenministers Macierewicz so schlampig vorbereitet waren, daß man dadurch den echten Stasispitzeln den größten Dienst erwiesen hat, kippte zwar eine Regierung, half aber keineswegs, eine neue zu bilden. Im Sejm entstanden dadurch nicht weniger als zwei neue Fraktionen: die des gestürzten Premierminsters Olszewski und die des Rechtsflüglers innerhalb der Demokratischen Union Aleksander Hall.

Inzwischen haben meine cleveren Landsleute aber beschlossen, eine Denominierung der polnischen Währung vorzunehmen. Das wird der ultimative ökonomische Schlag gegen Deutschland, weil der neue, 10.000 mal denominierte Zloty ungefähr DM 1,16 wert wird, also mehr als Schweizer Franken und ungefähr so viel wie der kanadische Dollar! Da lacht das polnische Herz, und die polnischen Bankexperten strahlen wie die Kleider der schwarzen Madonna in Tschenstochau.

Regierung hin, Regierung her, wir haben das Geld, so hart und wertvoll, wie es nicht einmal die Deutschen haben! Piotr Olszowka

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