Carrington: Die Serben sind verhandlungsbereit

■ Während die Luftbrücke in Sarajevo endlich gesichert ist, schließt die Washingtoner Regierung einen Militäreinsatz in Ex-Jugoslawien nicht aus/ EG-Vermittler sieht gute Chancen für Waffenstillstand/ BRD-Regierung plant ebenfalls Hilfsflüge

Zagreb (ap) — Es ist vollbracht. Die Luftbrücke in das von serbischen Milizen belagerte Sarajevo steht endgültig. Gestern vormittag wurde das erste britische Transportflugzeug in der bosnischen Hauptstadt entladen und kehrte inzwischen wohlbehalten nach Zagreb zurück. Auch ein US- Transportflugzeug ist bereits wieder auf dem Rückweg nach Frankfurt. Der Vorsitzende der EG-Friedenskonferenz für Jugoslawien, Lord Carrington, trat zur gleichen Zeit den Weg in die umgekehrte Richtung an. Von London flog er nach Zagreb um von dort aus zu Friedensgesprächen nach Sarajevo weiterzureisen.

Insgesamt wurden gestern, laut UNO-Kommandeur General Lewis MacKenzie, acht Maschinen mit Hilfsgütern erwartet. Die EG sprach sogar von zehn Flügen. Auch in der Bundesrepublik wird inzwischen laut über Möglichkeiten nachgedacht, sich an den Hilfstransporten zu beteiligen. Verteidigungsminister Rühe sagte gestern nach seinem Antrittsbesuch in Washington, man sei in Bonn durchaus zur Hilfe bereit, wenn es die Lage in Ex-Jugoslawien erlaube.

Hauptthema eines unerwarteten Gespräches mit Präsident Bush war jedoch die Überwachung der UNO- Sanktionen gegen Serbien und Montenegro. Hierbei, so Rühe, biete die BRD ihre Zusammenarbeit an. Gleichzeitig bedauerte Rühe, daß eine Beteiligung Deutschlands an eventuellen militärischen Aktionen gegen das Grundgesetz verstößt.

Die Voraussetzungen für deutsche Hilfe sind dagegen geschaffen. Für die Sicherung das Flugfeldes in Sarajevo stehen seit gestern 350 kanadische Infanteristen und Minenräumkommandos der UNO-Friedenstruppe bereit. Weitere 740 Mann des Bataillons wurden im Stadtgebiet einquartiert. Sie sollen später in der Umgebung des Flughafens Stellung beziehen. Denn trotz der positiven Entwicklung rund um den Flughafen waren in der Nacht wieder Artilleriegranaten in der Innenstadt eingeschlagen.

Lord Carrington läßt sich dennoch seinen Optimismus nicht verdrießen. Vor seinem Abflug in London hatte er erklärt, daß es konkrete Friedenshoffnungen im Krieg in Bosnien-Herzegowina gebe. Die militärischen Erfolge der Serben seien unterhalb ihrer Erwartungen geblieben. Sie seien zur Beendigung des Kampfes bereit. Auf dieser Grundlage will Carrington versuchen, die Kriegsparteien zur Rückkehr an den Verhandlungstisch zu bewegen. Sein Ziel: Ein haltbarer Waffenstillstand. Die Moslems unter Führung des bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic hatten vergangenen Monat alle Verhandlungen abgebrochen, nachdem serbische Kanoniere beim Beschuß eines Marktes in Sarajevo 14 Menschen getötet hatten.

Auch UNO-Generalsekretär Butros Ghali ist der Meinung, daß sich die Situation in Sarajevo gebessert habe. Für alle Fälle sprach sich Ghali aber für die Aufstellung einer schnellen Eingreiftruppe der UNO aus. Auf der ganzen Welt sollten der UNO Militärstützpunkte zur Verfügung stehen, um den Nachschub bei Militäroperationen zu sichern. Soldaten aus zehn bis zwölf Ländern sollten innerhalb von 24 Stunden handeln können, schlug Ghali vor.

Auch US-Präsident George Bush schloß nicht aus, daß es zu einem Kampfeinsatz zur Beendigung des Bürgerkrieges kommen könnte (siehe unten stehenden Kasten).

Rettung nur mit Visum

Flüchtlinge aus dem zerfallenen Jugoslawien stehen seit gestern auch an der niederländischen Grenze vor verschlossenen Türen. Ohne Visum dürfen sie das Land nicht mehr betreten. Doch damit nicht genug. Ab sofort wird ihnen darüber hinaus ein Transitvisa zur Weiterreise nach Deutschland verweigert. Schon am Donnerstag wurde auf dem niederländischen Flughafen Maastricht rund 200 Flüchtlinge die Einreise nach Deutschland per Bus verweigert. Sie waren jedoch später individuell weitergereist. Schätzungsweise 30.000 Jugoslawen sind in diesem Jahr über Maastricht nach Deutschland gekommen. In Österreich sind seit Einführung der Visumpflicht für Serben und Montenegriner als 1.000 Flüchtlinge zurückgeschickt worden. BZ