: Tetrapack ist Müll
■ Betrift: „Milch in Pappe ist öko!“, taz vom 13.8.92
Um es vorweg zu sagen, dieser Artikel von Britt Machalett ist leider überhaupt nicht „öko“, sondern schlecht recherchiert, deshalb in mehreren Punkten falsch und noch dazu in sich unlogisch. Die Druckerpresse verschone uns vor solchen „Öko-Artikeln“, die ohne eine einzige Hinterfragung die Propaganda der Verpackungsindustrie — vorweg der Fa. Tetrapack — wiedergeben. Dann macht doch daraus wenigstens eine Anzeige für besagte Firma, dann bekommt ihr wenigstens Geld dafür. Aber Ironie beiseite:
Die Argumentation der Verpackungsindustrie — und nicht mehr wird ja wiedergegeben — ist schon mal in sich unlogisch. Zum Transport von Mehrwegflaschen müssen keineswegs erheblich mehr LKW's fahren als bei Wegwerf- oder beschönigend: „Einweg“-Verpackungen. Wie eine schlichte ökologische Überlegung ergibt, müssen auch für die Getränke in Wegwerfpackungen — zumindest leere - LKW's zu den Erzeugern fahren, dort beladen werden und zum Kosumenten zurück. Mitnichten entfällt also eine Fahrt, wie der Artikel suggeriert; bestenfalls erfolgt sie leer, im Falle der Mehrwegflasche erfolgt sie eben mit leeren Flaschen. Damit ist auch das „Argument“ der LKW-Schlange bis Lissabon widerlegt. Dazu kommt, daß das Ausgangsmaterial der Verpackung von Tetra-Pak erst einmal zum Abfüller transportier wird, und weiter, daß der Abfall (28 Gramm pro Packung) bei Wegwerfverpackungen zusätzlich abtransportiert werden muß (Milliarden Packungen jährlich in der BRD). Aber auch die aufgestellten Behauptungen über das Recycling von Wegwerf-Kartonverpackungen sind zumindest geschönt: Bis heute ist die Industrie technisch gar nicht in der Lage, benutzte Kartonverpackungen wieder aufzuarbeiten. Alleine saubere Produktionsabfälle können in einer Versuchsanlage bei Tetrapak verarbeitet werden: zu minderwertigen Produkten wie Presspappe; von einer Wiederverwertung in Form von Getränkeverpackungen kann keine Rede sein. Was die Lichtbeeinflussung in Glasflaschen betrifft, so kann man diese dagegen braun färben, wie es die Ökomolkerein schon tun. Dadurch erhöht sich auch die Umlaufzahl der Milchflaschen, die in ihrer Weißglasform nur ca. 10 bis 15 Wiederbefüllungen erleben, weil sie durch die Milch dann leicht trübe werden. Ökologisch sinnvoll wären 25 und mehr Wiederbefüllungen, die bei Bier und Mineralwasser auch locker erreicht werden. Noch ein letztes Argument gegen die Argumente der Verpackungslobby: Wird der Anteil der Mehrwegflaschen unter 65% gedrückt (im Westen der Republik derzeit 72%), wird das gesamte Mehrwegsystem ökonomisch und ökologisch gefährdet, weil dann immmer mehr Produzenten mit Produkten in Mehrweggebinden wegfallen und dann die LKW's weitere Wege zurücklegen müssen, um überhaupt noch eine Versorgung sicherzustellen. D.h.: ab dieser 65%-Quote wird in gewisser Hinsicht ein ökonomischer Automatismus ausgelöst, hin zu noch mehr Wegwerfverpackungen, bis wir dann bei unter 10% landen. Vielleicht sollte man sich das erstmal überlegen, bevor man solche Artikel veröffentlicht, die genau diesen Weg im Sinne der Verpackungsindustrie fördern. Mit freundlichen und solidarischen Grüßen Raymund Schoen, Diplom-Biologe
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