Stasi-Wirren um „Aktie“

■ Uwe Barschel und kein Ende: Eine Stasi-VS-Connection mit Sitz in Hannover

Der Angelegenheit nimmt inzwischen alle Züge einer Geheimdienstaffäre an: Kaum einer blickt durch, was da im Gestrüpp von Verfassungsschützern, zwielichtigen Privatdetektiven und Regierungsmitgliedern im Dreieck Magdeburg-Hannover-Köln gelaufen ist.

Angefangen hat alles mit den Nachforschungen über angebliche Stasi-Kontakte von Sachsen- Anhalts Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP). Quelle der Hinweise war ein ehemaliger Stasi-Major, der beim Verfassungsschutz in Niedersachsen auspackte, versehen mit dem Decknamen „Aktie“. Und „Aktie“ wollte offenbar seinen Kurswert erhöhen und plauderte munter weiter.

Inzwischen sind Namen gefallen, die überall die Alarmglocken klingeln lassen: obenan Uwe Barschel, früherer CDU-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, gestorben 1987 in einer Badewanne des Genfer Nobelhotels Beau Rivage. In Verdacht erneut auch: Lothar de Maiziere, Ex- DDR-Ministerpräsident, und Josef Duchac, der ehemalige Regierungschef von Thüringen. Spekulationen über weitere verdächtigte Personen machten am Donnerstag hinter vorgehaltener Hand die Runde. Das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln meldete sich am Donnerstag öffentlich zu Wort. Präsident Eckart Werthebach aber gab im wesentlichen Vorwürfe nach Niedersachsen zurück. Zu den durchgesickerten Politiker-Namen schwieg er beharrlich.

Das Bundesamt ist wegen merkwürdiger Befragungen

durch die Bundesamtsaußenstelle in Magdeburg in die Schlagzeilen geraten. Ein niedersächsischer Verfassungsschützer hatte, obgleich dienstlich gar nicht damit befaßt, Hinweise zu Rauls und noch einiges Unangenehme mehr anzubieten. Sein guter Bekannter ist zufällig der ehemalige Sicherheitsberater des Magdeburger Innenministeriums. Dieser Mann, Privatdetektiv Klaus-Dieter Matschke aus Frankfurt/Main und früher auch in niedersächsischen Diensten, klagt seit einem Jahr auf eine Abfindung für sein Ausscheiden in Magdeburg. Sein Bekannter wies denn auch bei seinen Gesprächen mit dem Leiter der Bundesamts-Außenstelle, Jürgen Schaper, eindringlich auf das umfangreiche Wissen Matschkes über belastete Personen im Regierungs-, Verwaltungs-und Polizeiapparat von Sachsen-Anhalt hin.

Die Vermerke, die Schaper am 12. und 19. November anfertigte, gingen nur an die Staatskanzlei und das Innenministerium in Magdeburg. Die Bundesamtszen

hier Karikatur

trale in Köln und die Dienststelle des Beamten in Niedersachsen erfuhren erst am vorigen Montag davon, als die Affäre Rauls wieder hochkochte. Die Niedersachsen beschwerten sich in Köln über das eigenmächtige Vorgehen der Magdeburger Außenstelle. Verfassungsschutzschef Werthebach versuchte zu belegen, daß der Gesprächspartner aus Hannover

noch keine offiziell geführte Quelle gewesen sei.

Ebenso unklar bleibt vorerst, was an den neuen Hinweisen auf Stasi-Verbindungen von Uwe Barschel und anderen dran ist. Ob Barschel, de Maizière oder Duchac, gegen alle drei sind in der Vergangenheit mehrfach, allerdings im einzelnen unterschiedlich massive Stasi-Vorwürfe laut geworden. Bei Barschel, der sich über „Liebesspiele“ in einem Rostocker Hotel erpreßbar gemacht haben soll, wurden sogar Waffengeschäfte ins Spiel gebracht.

Das Innenministerium verweist Anfragen an das Bundesamt weiter, an das alle im Wege der Amtshilfe angefallenen Stasi- Hinweise weitergeleitet würden. Aus Köln heißt es, die Quelle „Aktie“ habe sich schon vor der Wiedervereinigung in Niedersachsen gemeldet, sei dort bezahlt worden. Also liege allein in Hannover die Verantwortung. Soviel ist sicher: Die geheimen Vermerke liegen gut verwahrt sowohl in Hannover als auch in Köln. Andreas Möser