Sieg der Abrißapostel

KOMMENTAR

Sieg der Abrißapostel

VerwaltungsrichterInnen sind Formalisten — das ist nicht neu. Für sie ist beispielsweise ein Polizeieinsatz nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil er brutal, unnötig oder unangemessen war, sondern wenn er nicht durch die Vorschrift dreitausendsechshundertfünfundachtzig gedeckt ist.

So wurde auch im Fall Pinnasberg verfahren. Die Klage wurde nicht abgewiesen, weil sie inhaltlich ungerechtfertigt ist, sondern weil ein „Nachbar“ — auch wenn's die Kirche ist — kein Klagerecht besitzt. Dabei klammerten die Richter völlig aus, daß die von der Stadt gegen alle Widerstände durchgepaukte Abrißverfügung vielleicht rechtswidrig ist.

Denn auch in diesem Fall stellten sich die Richter auf einen rein formalistischen Standpunkt. Und der lautet: In einem Stadtstaat gibt es nur nur eine Gewalt, und die geht von der Stadt aus. Selbst wenn von ihr das größte Unrecht fabriziert wird, Gebäude abgerissen werden — es gibt keinen Paragraphen, durch den so etwas zu unterbinden ist — selbst wenn das städtische Vorhaben jeglicher Logik und jedem gesunden Menschenverstand widerspricht.

Wenn man das Trauerspiel vom Pinnasberg verfolgt, kommt der Wunsch auf, daß auch Verwaltungsrichter — und nicht nur die politische Strafjustiz — manchmal auch die politischen Aspekte nicht gänzlich in einem Verfahren ausklammern, wenn sie für eine Entscheidung von Bedeutung sind. In diesem Fall ging die erste Runde an die Pinnasberg-Liquidierer Henning Voscherau & Co. Einen Grund stolz zu sein, haben diese Abrißapostel aber nicht. Kai von Appen