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„Ich kann ein ernstes Lied“

■ Mit „Ein Lied für Beko“ ist erstmals ein kurdischer Spielfilm hier zu sehen / Regisseur ist heute anwesend

„Onkel Beko, ich kann ein Gedicht von meinem Opa!“ — „Ich kann das!“ — „Guck mal, ich kann dies!“ Die Kinder lassen sich was einfallen, um ihren neuen Freund Beko zu erfreuen. Sie schlagen Purzelbäume, schneiden Grimassen — und Usuf sagt: „Ich kann ein ernstes Lied.“ Er singt mit heiserer Stimme, ein Lied für Beko.

Beko ist auf der Flucht aus Türkisch-Kurdistan zu den Kindern gekommen. Sein Bruder Cemal war vor dem Militärdienst in der türkischen Armee desertiert, Beko wurde festgenommen, entwischte und beschloß, seinen Bruder zu suchen. Über Syrien gelangt er in ein Flüchtlingslager im Hochgebirge des Irak. Ein Häufchen vertriebener kurdischer Frauen, Kinder und alter Männer hat sich hier zusammengefunden. Eingeschlossen im iranisch-irakischen Kriegsgebiet. Bekos Hoffnung, hier ein für Kurden freieres Land zu finden, schwindet.

„Ein Lied für Beko“ ist der erste kurdische und kurdischsprachige Spielfilm, der hierzulande gezeigt wird. Regisseur Nizamettin Aric hat für sein 1992 gedrehtes Erstlingswerk — in welchem er auch die Hauptrolle spielt, für das er die Musik komponiert und zusammen mit Christine Kernich das Drehbuch geschrieben hat — bereits zwei Preise bei den Filmfestspielen in Venedig erhalten. Nizamettin Aric (Jg.'56) stammt selbst aus Türkisch-Kurdistan, hat als Schauspieler, Sänger und Musiker gearbeitet. 1981 floh er aus der Türkei, nachdem er wegen eines Konzertes in kurdischer Sprache verhaftet worden war. Er lebt seither in Berlin.

„Flüchtling zu werden ist kurdisches Schicksal“, sagt Nizamettin Aric. Das wissen schon die Kinder: Usufs, dessen Familie vor seinen Augen bei einem Luftangriff zerfetzt wurde, ist der einzige, der weint, als die Bomber mal wieder die Zelte überfliegen. Seine Tränen sind eine kleine Erlösung.

Es ist die Ruhe in diesem Film, die aufwühlt. Immer wieder und ausdauernd zeigt die Kamera Gesichter. Gesichter voller Sehnsucht und Hoffnung, Stolz und Kraft. Wie die Bilder der Landschaften: die Steinwüste der Osttürkei, das karstige Gebirge im Irak, die endlos weiten Flächen, die warmen Farben der Erde. Und dazu stets ein großes Stück Himmel.

Wo Worte nicht mehr helfen können, spricht Gesang. Auch Beko singt ein Lied, vor allem für das kleine Waisenmädchen Zine. Zwischen beiden entspinnt sich eine zarte Beziehung, die sie noch länger aneinander binden wird. „Der Krieg ist vorbei, doch jetzt haben Saddam Husseins Truppen wieder Zeit für uns Kurden.“ Beko flieht nach Deutschland, mit der schwerverletzten Zine. In Hamburg erkundigt er sich nach seinem Bruder, doch seine letzten Hoffnungen erlöschen. Ihm bleibt Zine, die ihm damals aus ihrem Schulhelft vorgelesen hatte: „Wir sind Kurden — unsere Heimat ist Kurdistan.“ Ein Film zum Sitzenbleiben. Silvia Plahl

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