Kopf-Hexensabbat

■ Premiere: „Up Side Down“ im Jungen Theater

Ein Junge wird Opfer der religiösen und abergläubischen Besessenheit von Mutter und Tante: Zerrieben zwischen moralischen Widersprüchen flüchtet er sich in den Irrsinn und wird zum Mörder. Davon erzählt das Stück „Down Side Up“, ein Psychothriller des Karibischen Autors und Regisseurs Frank S. McField, das am Mittwoch im Jungen Theater Premiere hatte.

bitte Paar,

Mann auf Knien

Schädlich, Oostendorps

Es ist Gründonnerstag. Frühlingsblumen sprießen vor dem Hintergrund einer blutroten Höllenkulisse. Montero, der Junge (Michael Schädlich), windet sich in verzweifelter Sehnsucht nach seinem Vater und gibt seiner Hoffnung in expressionistisch-wirren Gebeten Ausdruck. Ein Clown-Teufel begleitet ihn mit monotonem Trommeln. Mutter Mable (Bianca Oostendorp) und die alte Jungfer Tante Addy (Elina Finkel), zwei gespenstische Zombie-Gestalten, streiten sich verbittert und fluchen über ihr Leiden: Einsamkeit, Abhängigkeit, Schuld, Strafe. Dabei steht ihr Glauben an dunkle Mächte des Himmels und der Hölle in seltsamem Kontrast zu den konkreten Problemen des Alltags: „Der Preis für Schweinefleisch ist gestiegen.“

In Rückblenden erfahren wir, wie Montero verrückt geworden ist: Die beiden Frauen haben ihm seine Gefühle und seinen Realitätssinn ausgetrieben. Sein „Pippi“ würde von Maden zerfressen, wenn er daran spielt, droht Tante Addy, um ihn anschließend zu mißbrauchen. Der Zwang, die Wahrheit zu sagen, lastet auf ihm so schwer, wie der Zwang zu schweigen. Mit der gläubigen Mutter, die mit ihrem Schwager schläft, geht es ihm nicht anders. Es ist nicht wahr, und weil man „nicht über diese Dinge spricht“, muß er seinen Mund mit Seife waschen und unter Tränen Pepperoni essen.

Der Vater (Robby Schlesiger) ist längst tot. Montero erschlug ihn aus Verzweiflung und erwies der Mutter damit einen Dienst - abermals zum Schweigen verurteilt. Er hält den Druck nicht aus, redet und bringt schließlich auch noch den Liebhaber (auch Schlesiger) um.

Das Stück ist eine Kette von Gefühlsausbrüchen. Die Personen kommunizieren fast ausschließlich schreiend, mit irrem Flackern in den Augen und geschwollenen Halsadern. Die Überzogenheit ist überzeugend und rechtfertigt sich in der starken, expressiven Sprache. Monteros innerer Zustand der Verstrickung wird sichtbar gemacht, Unheil und Bedrohung sind allgegenwärtig. Nur wenige Stellen enthalten erleichternde Komik.

Die vier jungen Aktuere spielen mit voller Kraft und absolut professionell. Allerdings nutzt sich das immer gleichermaßen hohe emphatische Niveau im Laufe des Stückes ein wenig ab. Beate Ramm