Fischwilderer!

■ Über die Sinnlosigkeit der vereinseigenen Hege und Aufzucht von Karpfenbabys

Fischwilderer!

Über die Sinnlosigkeit der vereinsseigenen Hege und Aufzucht von Karpfenbabys

Aus den Heimatfilm-Schinken kennen wir sie: Die dunklen Gestalten, die des Nachts durch fremde Reviere streifen und heimlich den Zwölfender abknallen — und damit den knackigen Waidmann um das Vergnügen bringen, selbiges vor den Augen einer schönen Frau zu tun. Typus: Der Wilderer mit den schwarz-beschmierten Wangen und dem blutrünstigen Blick.

Auch in Bremen treibt diese Zunft ihr Unwesen, denn gibt es auch nicht Wald und Wild, so doch Wasser und Fisch.

Wegen „Fischwilderei“ mußte sich Ende letzter Woche der angeklagte Angler Stefan P. vor dem Bremer Amtsgericht verantworten. Ein verwegener Fischräuber, ein armer Schlucker auf der Suche nach einem Mittagessen? Mitnichten. Stefan P. ist ein ganz normaler Angler, der sich gegen 30 Mark Gebühr einen Fischereischein vom Stadtamt ausstellen ließ — und der nun vor einer entscheidenden Frage steht: in welchem Gewässer darf ich meinen Wurm überhaupt baden?

Versucht hat es unser Angler am Hasenbürener Umdeich im Verbindungskanal zur Ochtum — und geriet prompt in den Clinch: mit dem dortigen Angelverein. Schimpfend kam der ehrenamtliche Fischereiaufseher des Hasenbürener Sportfischereivereins daher und vertrieb den Fremden, der da die mühsam gehegten und gepflegten vereinseigenen Fische wegfangen wollte. Stefan P. war auf Pachtgrund gelandet und sollte für dieses Vergehen 300 Mark Geldbuße bezahlen — „dabei habe ich nicht mal einen Fisch gefangen“, beklagt er sich.

Der Verlauf der weiteren Gerichtsverhandlung: Eher ungläubig hörten sich Richter und Staatsanwalt die Feinheiten des bremischen Fischereirechts, den Streit um Anzahl und Lesbarkeit von Verbotsschildern und den Sinn eines Anglervereins und der Mitgliedschaft im selbigen an — bevor das Verfahren einvernehmlich eingestellt wurde.

Bitter beklagte sich der des Fischwilderns Beschuldigte: Da habe er nun diesen Fischereischein erworben — nach den neuesten Bestimmungen muß dafür gar eine Prüfung abgelegt, alles über Fischarten, Fischkrankheiten, Gewässergüte und rechtliche Bestimmungen gewußt werden — doch niemand könne ihm nun sagen, wo er eigentlich angeln darf. „Sogar das Stadtamt sagt: Das wissen wir auch nicht“, so Stefan P.. Auf einer handgemalten, provisorischen Zeichnung, die er vom Stadtamt in die Hand gedrückt bekommen habe, sei nun wirklich rein gar nichts zu erkennen. Von überall werde er vertrieben, und das verleidet ihm das Anglerglück erheblich. Bitter beklagte sich der Fischereiaufseher: Die Schwarzfischer würden immer mehr. Bitter beklagte sich der Vorsitzende des Anglervereins: Man müsse schließlich die teure Jahrespacht zahlen und die Fische aussetzen, „und da sind alle peinlichst darauf bedacht, daß in ihren Gewässern nicht wild gefischt wird.“ Sind Aussatz, Hege und Aufzucht von Hecht- und Barschbabys doch umsonst, wenn ein Vereinsfremder letztlich die Filets erntet.

Zu den Auserwählten, die das dürfen, gehören rund 3.000 bis 4.000 organisierte AnglerInnen aus rund 30 Vereinen — und die haben die gesamten bremischen Gewässer unter ihrer Fittiche. Die gesamten bremischen Gewässer? Nein, denn eine kleine Schar von rund 6.000 bis 7.000 FischereischeinbesitzerInnen ohne Vereinsanhang nutzt das alte bremische „Stockangelrecht“ — demnach darf jede bremische BürgerIn in der Weser zwischen Weserwehr und Lesum mit zwei Angeln und nur für den eigenen Bedarf fischen.

Doch wer eine Vereins-Aversion hat — und sei es bloß wegen der 120 bis 150 Mark Jahresbeitrag — dem bleibt keine Alternative: „Letztlich“, sagt der zuständige Sachbearbeiter des Stadtamtes, „hat für jede Pfütze in Bremen irgend jemand das Fischereirecht.“ Und das müsse eigentlich jeder wissen. Susanne Kaiser