Können, aber nicht müssen

Nach dem 6:3 gegen die USA ist die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft für das Viertelfinale gegen Rußland ungewollter Favorit  ■ Aus Dortmund Peter Unfried

Nicht eben häufig, aber manchmal amüsiert sich selbst der ernste Ludek Bukac. Etwa wenn er gefragt wird, wie weit denn nun die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft bei dieser WM noch kommen werde. Dann kriegt er richtig rote Backen vor Freude und sagt: „Wenn ich das wüßte, bräuchte ich den Job nicht zu machen.“ Womit er erstens wieder mal bescheiden darauf hingewiesen haben will, daß die bisher eingefahrenen Siege keineswegs aus dem blauen Himmel dahergewandert kamen, sondern Produkt rechtschaffen harter Arbeit sind, aber zweitens auch anklingen läßt, daß heutzutage nichts mehr sicher ist. Der Gegner im heutigen um 20 Uhr stattfindenden Viertelfinale ist immerhin Rußland, rechtmäßiger Erbe des zweiundzwanzigfachen Weltmeisters UdSSR. Aber Trainer Boris Michailow, dieses frostige Väterchen, hat im Verlaufe der Vorrunde bereits mehr als einmal ärgerlich mit dem Kopf schütteln müssen, wenn, wie zuletzt beim 1:3 gegen den derzeitigen Favoriten Kanada, die Verteidiger kräftig danebenstocherten oder aber die Angreifer lange nicht so kunstvoll wirbeln mochten wie ihre in die NHL abgewanderten Vorgänger. „Die russische Dominanz“, das gibt selbst Bukac immerhin zu, „ist weg.“ Was nicht heißen soll, daß nun die Deutschen unbedingt gewinnen müßten. Aber dran denken dürfen. Innerhalb der im wesentlichen sprachlich gleichgeschalteten Mannschaft hat sich im Verlaufe des Turniers nämlich selbstbewußte Bescheidenheit breitgemacht. Was das ist? Keiner hat es so schön erklärt wie Goalie Klaus Merk: „Vor den Russen“, hat der Berliner nach dem 6:3 über die USA gesagt, „hat man zwar keine Angst mehr, aber immer noch Respekt.“

Wie die anderen neuerdings auch vor den Deutschen. Die Art und Weise, wie jene den heuer ganz und gar nicht erbärmlichen Amerikanern am Sonntag in Drittel eins mit 5:0 eins aufs Mützerl gaben, hat für veritables Aufsehen gesorgt. Da gelang es nämlich, das auf Sicherheitsdenken, großem Laufaufwand und jeder Menge Physis aufbauende Konzept plötzlich auf einem höheren Level zu zelebrieren. So, staunte nach dem 6:3-Erfolg der Doktor Bukac, habe er sein Team noch nie gesehen. Und seine harten Buben hatten ganz leuchtende Augen vor lauter Freude über das Vollbrachte, das um so leichter vom Schläger ging, als die Zuschauer in der Westfalenhalle dermaßen emphatisch mitwirbelten, daß selbst der weitgereiste Kapitän Gerd Truntschka schon mal mutmaßte: „Besser wird's nimmer.“ Aber, wer weiß, Gerd, vielleicht ja doch, falls man nun in München ... die Russen ... Nur wie? So, mutmaßt der 34jährige Eishockey-Beckenbauer: Wenig Strafzeiten einfangen, die Sbornaja das Spiel machen lassen, und „im Endeffekt mal sehen, was rauskommt“.

Niederlage hin, Sieg her, Ludek Bukac, immer bemüht, das Erreichte herauszustellen, hat den Konjunktiv wohlweislich erst gar nicht in sein Deutsch-Repertoire aufgenommen. Zwar beabsichtigt auch der Bundestrainer, so es denn geschähe, mit einem Erfolg klarzukommen, aber, sagt er, stellvertretend für alle, „wir sind keine Träumer“. Allerhöchstens klitzekleine, wie der Düsseldorfer Verteidiger Andreas Niederberger. „Jetzt noch dreimal die Nationalhymne“, hat der geulkt, „dann wären wir zufrieden.“ Dreimal Hymne? Hieße noch dreimal gewonnen! Hieße ... ooooh! Gut, daß der Ludek das nicht gehört hat.