Ein Blick vom Gipfel ins ferne Tal

■ Sozialsenator: Trendwende in der Drogenpolitik / Weniger Tote und weniger Neueinsteiger / Effizienzprüfungen angekündigt

/ Weniger Tote und weniger Neueinsteiger / Effizienzprüfungen angekündigt

Ein Gipfel ist überwunden, aber ob das Tal jemals erreicht werden kann, ist fraglich - so stellt sich die Situation in Hamburgs Drogenpolitik dar. Sozialsenator Ortwin Runde konnte sich gestern zwar angesichts des Jahresrückblicks darüber freuen, daß die Zahl der Drogentoten und der Heroin-Neueinsteiger in Hamburg seit Anfang 1992 rückläufig ist, doch warnte er auch vor übertriebenem Enthusiasmus: „Das Drogenproblem wird uns dauerhaft erhalten bleiben.“

Dennoch ist in der Hansestadt eine „Trendwende“ auszumachen: 1992 sank die Zahl der Todesfälle von 184 (1991) auf 146. Um 16 Prozent reduzierte sich auch die Zahl der polizeilich registrierten Erstkonsumenten - von 1042 (1991) auf jetzt 877 Personen (darunter 33 Minderjährige). „Eine positive Entwicklung“, so der Senator, „die auf viele Faktoren zurückzuführen ist, aber sicher auch auf Hamburgs Drogenpolitik.“

Als eindeutigen Schwachpunkt in der Drogenhilfe machte Runde die Entgiftungssituation aus: Die Entzugswilligen müssen in Hamburg immer noch durch das Nadelöhr von 40 Plätzen im AK Ochsenzoll. Doch auch dies soll sich ändern: In den psychiatrischen Abteilungen des AK Bergedorf und des AK Eilbek soll künftig auch entgiftet werden. Auch der ambulante Entzug - bereits im vergangenen Jahr angekündigt - soll in diesem Jahr endlich starten.

Trotz des Ausbaus der verschiedenen Betreuungsformen nehmen von den rund 10 000 Hamburger Heroinkonsumenten nur 20 Prozent therapeutische Angebote wahr. In den Beratungs- und Kontaktstellen liegt der Prozentsatz doppelt so hoch. Anlaß für den Sozialsenator, die niedrigschwelligen Angebote auszuweiten. Auch kündigte er für die Drogenhilfeeinrichtungen verstärkte Effizienzprüfungen an: Dort sollen künftig die Erfolgs- und Haltequoten genauer unter die Lupe genommen werden.

Die kritische Begutachtung besonders gut bestanden hat die Substituionsbehandlung mit den Ersatzstoffen Methadon und Remedacen. Nur etwa neun Prozent der Substituierten brachen diese Behandlungsform ab, ihr Gesundheitszustand hat sich zudem deutlich verbessert. Rund 1000 Abhängige werden derzeit von etwa 70 niedergelassenen Ärzten und den zwei Ambulanzen (die dritte wird demnächst eröffnet) betreut.

Ortwin Runde betonte jedoch, daß für weitere Erfolge die Änderung der Bundesgesetze von großer Bedeutung seien. Neben dem Modellprojekt zur ärztlichen Vergabe von Heroin wolle man auch erreichen, daß der Konsum weicher Drogen nicht mehr strafrechtlich belangt wird, sondern künftig nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft wird. sako