Fantastisch plastisch

■ Was es alles gibt: Jürgen Franke zum Beispiel ist passionierter Plastiktütensammler

Er zieht nur schwarze Sachen an, schwarz sind die Möbel in seiner Wohnung und schwarz die Fensterrahmen. Die Kaffeebecher sind schwarz, ebenso das Tablett; und auf den schwarzen Bücherborden stehen hundert Bücher über Japan. Jürgen Franke ist ein absoluter Japan-Fan. „Das Blöde ist nur, daß die Japaner kaum Plastiktüten benutzen. Sie sind Verpackungskünstler, Papier ist ihr Material. Schade.“

Wir haben Jürgen nicht wegen seiner Leidenschaft für den Osten besucht, sondern weil er einer Sammelwut huldigt, die ein höchst westliches Produkt zum Gegenstand hat: Plastiktüten aller Art, von der simplen Supermarkt-Einkaufstüte bis zum DesignerProdukt, von der dreieckigen Fahrradsatteltasche bis zur hohen Krawattentüte. Weihnachtstaschen, Schallplattentüten, Duty- free und Comictüten, Bandtaschen, solche, die den Griff seitlich verschoben haben, um Blumen drin zu transportieren, Museumstüten und Sockentüten.

Sie alle liegen hinter einem japanischen Wandschirm, auf den ersten Blick ein unüberschaubares Chaos: 15.000 Plastiktüten in Kartons und Taschen und losen Haufen. „Mein Archiv“, sagt Jürgen, und während er einen Stapel nach dem anderen abhebt niest er, denn die Tüten laden sich statisch auf und ziehen Staub an. „Manchmal muß ich lange suchen, um eine bestimmte Tüte zu finden, aber ich finde sie.“

Freunde und Bekannte bringen ihm Tüten mit aus aller Welt, eine Freundin schenkte ihm ihre relativ kümmerliche Sammlung (500 Stück). In einem griechischen Dorf, das er jährlich besucht, geben ihm die BewohnerInnen jährlich 200 neue Tüten mit.

„Ich habe noch niemals eine Tüte selbst gekauft, das würde gegen meine Ehre gehen. Und ich benutze die Tüten nicht, schon gar nicht als Mülltüte, wie Otto Normalverbraucher. Einkaufen tu' ich nur mit diesen drei schwarzen Tüten“, (er zieht sie unter einem Sessel hervor): „Büchertüte, Einkaufstüte, Kleidertüte.“ Was er nicht ertragen kann: wenn jemand ihm eine neue Tüte unter die Nase hält und sagt „Ätsch, die kriegst du nicht!“.

Hundert Doubletten höchstens sind in Jürgens Sammlung, denn tauschen ist gar nicht seine Sache: „Ich will lieber gar keinen treffen, mit dem ich tauschen könnte und der Tüten hat, die ich nicht habe.“

Poseologie nennt man die sammelnde Liebe zur Plastiktüte, ein Däne aus Arhus ist Jürgens bewundertes Vorbild. Der hat die FIPPS, die erste Gesellschaft für Plastik-Poseologie gegründet und besaß schon 1975 30.000 Stück, jetzt dürften es über 100.000 sein. Ein Museum ist schon in Planung. Auch Jürgen würde zu gern „irgendetwas mit diesen Tüten machen“, etwas, das über die halbjährliche Sichtung hinausgeht. „Aber soll ich ein Computerregister aufstellen? Dafür bräuchte ich Jahre! Soll ich sie auf eine Wäscheleine hängen? Die wäre zwei Kilometer lang und wer bewacht sie? Kein Ausstellungsraum ist groß genug, um 15.000 Tüten zu präsentieren.“

Aber müßten es denn unbedingt alle auf einmal sein? „Unbedingt!“ Cornelia Kurth