Privater Streifendienst auf der Touristenmeile

■ City-Kaufleute engagieren ab 1.Juli Privatpolizei gegen Bettler und Händler / Limbach gegen Hütchenspieler-Hysterie

Vom Tauentzien über den Kurfürstendamm bis zum Adenauerplatz soll ab dem 1. Juli ein privater Wachdienst Streife gehen und Bettler, fliegende Händler und Hütchenspieler vertreiben. Dies bestätigte gestern Peter Hosemann, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft City, gegenüber der taz. Damit die Wachleute auch wissen, wo sie eingreifen können, werden alle Geschäfte, die die Aktion unterstützen, einen Aufkleber mit der Aufschrift „Wachschutz AG City“ auf ihre Scheiben kleben. Die AG City vertritt rund 200 Gewerbetreibende im westlichen Innenstadtbereich, darunter auch Banken und Warenhäuser.

Hosemann, hauptberuflich Geschäftsführer der Spielbank Berlin im Europacenter, bezifferte die Kosten auf über 30.000 Mark pro Monat. Gedacht sei an vier bis fünf Doppelstreifen von 9 bis 19 Uhr, die durch einen Funkwagen unterstützt werden sollten. Knüppel oder Hunde werden allerdings nicht zur Ausrüstung der Wachleute gehören, versicherte Hosemann. „Wir verstehen die Wachleute als verlängerten Arm der Polizei“, so Hosemann. Viele Käufer und Geschäftsleute fühlten sich durch die Bettler, Hütchenspieler und fliegenden Händler „verunsichert, ja manchmal auch bedroht“. Hosemann: „Der Wachdienst wird diese Leute ansprechen und die Polizei rufen, sollten sie nicht den Platz verlassen.“

Helmut Schödler, beratendes Mitglied des privaten Sicherheitsdienstes Berliner Wache, äußerte sich skeptisch zu dem Vorhaben der AG City. Er habe seinem Unternehmen abgeraten, sich an der Bewerbung zu beteiligen, weil die gestellten Anforderungen von einem privaten Wachschutzunternehmen gar nicht erfüllt werden könnten. „Wir haben keine Ordnungsbefugnisse auf öffentlich- rechtlichen Flächen und können uns nicht polizeiliche Aufgaben anmaßen“, erklärte der ehemalige Polizist aus Niedersachsen.

Gegen den zunehmenden Trend, Sicherheitsdienste auf den Straßen einzusetzen, wendet sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP). Damit werde nur eine vermeintliche Sicherheit geschaffen, die überdies nur einem Teil der Bevölkerung zugute kommen werde. „Die Reichen werden sich ihre Sicherheit erkaufen“, erklärte GdP- Sprecher Klaus Eisenreich. Es sei außerdem zu befürchten, daß es zu Übergriffen von Beschäftigten privater Dienste kommen werde. Als Beispiel aus jüngster Zeit führte Eisenreich den Einsatz von Wachpersonal gegen streikende Studenten an der Freien Universität am 9. Juni an.

Senatorin Limbach verteidigt die Justiz

Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem die Springer-Gazetten nicht wegen der Hütchenspieler auf der Justiz herumhacken: Die Polizei fange sie mühsam ein, und Staatsanwaltschaft und Gerichte ließen sie wieder laufen, lautet der Standardvorwurf. Gegen diese Angriffe setzten sich Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD), der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Joachim Heinze, und der Amtsgerichtspräsident Günter Clausing gestern auf einer Pressekonferenz zur Wehr. Sie habe den Eindruck, so Limbach, daß es sich bei den Angriffen um eine zielgerichtete CDU-Kampagne gegen die Person der Justizsenatorin handele, die als „Entlastungsgefecht“ für Innensenator Dieter Heckelmann inszeniert worden sei.

Der Erlaß von Haftbefehlen sei keineswegs eine Frage der Absprache zwischen Justizsenatorin und Innensenator, verteidigte Limbach die richterliche Unabhängigkeit gegen das Ansinnen der Springer- Gazetten. Die Voraussetzungen für Antrag und Erlaß von Haftbefehlen seien klar im Gesetz geregelt. „Die Empörung des Volkes ist kein Haftgrund.“ Heinze sagte, auch die Polizei wisse meist nicht, daß „U-Haft nur den einen Sinn hat“, den Prozeß sicherzustellen. Auch Wiederholungsgefahr sei nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Haftgrund.

Sie verstehe, so Limbach, daß die Polizei frustriert sei. Aber für eine Verurteilung von Hütchenspielern wegen Betruges reiche die Beweislage oftmals nicht aus. Laut Bundesgerichtshof muß nachgewiesen werden, daß die Kugel während des Spiels verschwindet. Heinze hoffte, daß eine von Polizei und Staatsanwaltschaft erarbeitete angeblich neue Ermittlungsmethode die Beweisführung in Zukunft erleichtert. In einem Pilotverfahren werde zur Zeit Anklage erhoben. Laut Limbach ist die Richterschaft von der CDU-Kampagne sehr beunruhigt. Eine in der Presse namentlich zitierte Richterin, die mit einem Hütchenspieler- Fall befaßt war, würde trotz Geheimnummer ständig telefonisch beschimpft. Als „Verrohung der Sitten“ bezeichnete Amtsgerichtspräsident Clausing, daß Bild einer Richterin 300 Mark dafür geboten hat, sich mit Hütchenspielern fotografieren zu lassen. Severin Weiland/Plutonia Plarre