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Falsche Zeugen ausgegraben

■ Neß-Prozeß: Entlastungszeugen haben den Vorfall nie gesehen

„Der Angeklagte hat offensichtlich falsche Beweismittel vorgelegt, um das Gericht zu täuschen.“ Schwere Vorwürfe von Nebenklagevertreter Manfred Getzmann gestern im Prozeß gegen den Polizisten Gerd Schröder. Dem Vizechef des Einsatzzugs-Süd wird Körperverletzung im Amt vorgeworfen, weil er den Medienproduktions-Reporter Oliver Neß geschlagen haben soll.

Schröder soll während einer Lkw-Blockade orthodoxer Juden am 24. April 1992 am Hertie Quarree den Journalisten mit dem Ellenbogen gestoßen und ihm dann eine Ohrfeige versetzt haben. Dies bestätigte gestern auch Reporter Ernst Matthies: „Ich habe gesehen, wie Herr Neß mit dem Ellenbogen geschubst wurde, dann einen Schlag ins Gesicht bekam und von Beamten an die Wand gedrückt wurde.“

Obwohl drei weitere Augenzeugen den Sachverhalt so bestätigt haben, hatte Schröder am vorigen Verhandlungstag nach umfangreichen Eigenermittlungen zwei Lkw-Fahrer und zwei Polizei-Motorradfahrer präsentiert, die seine Version bestätigten. Demnach habe Neß einen Lkw-Fahrer angepöbelt und sei dann nur von Schröder beiseitegedrängt worden. Die Krad-Polizisten hatten angeblich die Lkws begleitet.

Lange Gesichter gestern beim Angeklagten und Innenbehördenanwalt Michael Bertling, als Neß Fotos einer Mopo-Fotografin präsentierte. Die Aufnahmen belegen, daß weder die beiden „Weißen Mäuse“ den Konvoi begleitet noch die aufgetretenen Lkw-Fahrer diese Laster gelenkt haben. Getzmann: „Die hier präsentierten Tatzeugen waren überhaupt nicht am Tatort.“ Dennoch wollte sich der Angeklagte nicht geschlagen geben. Bertling: „Auf den Fotos befinden sich zehn Polizisten, die man befragen kann.“ Neß erbost: „Für eine neue Version?“ Am 21. Juni wird nun zumindest die Mopo-Fotografin vernommen.

Für den Sprecher der Kritischen Polizisten, Manfred Mahr, der das Verfahren ebenso wie die IG Medien mit Interesse verfolgt, ist der Fall ein Paradebeispiel. Weil Schröder ein ranghoher Beamter ist, dürfe er den Übergriff nicht zugeben. Mahr: „Das Schlimme ist nun, daß durch so ein Verhalten auch noch weitere Kollegen mit in die Sache hineingerissen werden.“

Kai von Appen

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