Bremerhaven: rot-grünes Bündnis geplatzt

■ Koalition gefrustet / Eiserner Besen und Parteiverfahren gegen Abweichler angekündigt

Gut ein Jahr hat das rot-grüne Bündnis in der Bremerhavener Stadtverordneten-Versammlung gehalten, seit Donnerstag abend ist es kaputt. „Für mich ist es endgültig vorbei“, erklärte gestern der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Peter Pletz. Zwar hat die SPD die Grünen noch einmal aufgefordert, über ihren Austritt nachzudenken, doch Pletz erklärte unmißverständlich: „Wir haben keinen weiteren Gesprächsbedarf mit der SPD über eine Fortsetzung der Kooperation.“

Formal wird die erste Mitgliederversammlung der Bremerhavener Grünen nach der Sommerpause darüber entscheiden, ob das Bündnis mit den Sozialdemokraten aufgekündigt werden soll. Bis dahin tagen weder Ausschuß- noch Stadtverordneten-Versammlungen.

Hintergrund des Koalitionsendes: Am Donnerstag abend hatten SPD-Fraktionsmitglieder den von den Grünen vorgeschlagenen neuen Baudezernenten Ekkehard Dammann (parteilos) bei der entscheidenden Wahl durchfallen lassen. Von 48 Bremerhavener Stadtverordneten waren am Donnerstag abend 45 anwesend. Ekkehard Dammann erhielt 21 Stimmen, die Koalition zählte aber 23 Abgeordnete: 19 Sozialdemokraten und vier Grüne (je einer aus beiden Fraktionen war krank.) Der Kandidat der Opposition, Volker Holm erhielt dagegen 22 Stimmen. Von der CDU waren 13 Abgeordnete anwesend, von der FDP vier und von der DVU 5. Zwei Abgeordnete hatten ungültige Stimmen abgegeben und unterstützten damit den Matchwinner Holm: Sie drückten mit ihren ungültigen Stimmen die Zahl der gültigen Stimmen von 45 auf 43, und damit waren 22 Stimmen für Holm die absolute Mehrheit.

In der SPD ist jetzt das Entsetzen groß. „Ich habe immer gedacht: Das können Sozialdemokraten doch nicht machen“, erklärte der Bremerhavener Unterbezirksvorsitzende Siegfried Breuer, der auch Mitglied der Stadtverordneten-Versammlung ist. Er kündigte gegen die Abweichler in der Fraktion einen harten Kurs an: „Wir haben festgestellt: Mandatsträger haben ihre Arbeit im Ortsverein eingestellt. Stattdessen treffen sie sich in Gruppen und Zirkeln und arbeiten parteischädigend. Wir werden diese Leute auffordern, in die SPD-Gremien vom Ortsverein bis zum Parteitag zurückzugehen, und wenn wir mitbekommen, daß sie das nicht tun, werden wir Parteiordnungsmaßnahmen einleiten.“

Breuer geht davon aus, daß die SPD erst einmal keine neue Kooperation eingehen wird. „Solange die Fraktion unberechenbar ist, brauchen wir über neue Koalitionen nicht nachdenken.“ Die Abweichler hätten mit ihrem Abstimmungsverhalten die „letzte Chance genutzt, die Grünen zum Austritt aus der Koalition zu zwingen.“ Bereits im Dezember 1991 und Anfang 1992 hatten Sozialdemokraten in der Stadtverordneten-Versammlung bei geheimen Abstimmungen eine Ampelkoalition aus SPD, Grüne und FDP in Bremerhaven platzen lassen. Damals ging es darum, die Besetzung von Ausschüssen nach dem Hare- Niemeyer-Verfahren zu regeln. Die Änderung der Geschäftsordnung scheiterte zweimal an den Sozialdemokraten, worauf die FDP in der geplanten Ampel das Handtuch warf.

Vorwürfe richtete Breuer gegen den SPD-Fraktionsvorsitzenden Richard Skribelka. Der habe sich auf dem vorangegangenen Unterbezirksparteitag öffentlich gegen Dammann ausgesprochen.

Richard Skribelka gab sich gestern ebenfalls zerknirscht. Er habe das Abstimmungsergebnis befürchtet, erklärte er gestern, nachdem in der vorausgegangenen Fraktionsversammlung drei Abgeordnete Dammann nicht getragen hätten. Er habe bereits vor der Sitzung der Stadtverordneten angekündigt, daß er für den Fall, daß Genossen gegen Dammann stimmten, als Fraktionsvorsitzender nicht zurücktreten werden, „damit die Abweichler nicht glauben, sie könnten auch mich schädigen, wenn sie gegen Dammann stimmen“.

In Bremerhaven wird jetzt erst einmal alles beim alten bleiben. FDP-Fraktionschef Jörn Model hat weiter „konstruktive Oppositionspolitik“ angekündigt, was heißt: Kein Interesse an einer Ampel oder an einer großen Koalition, aber in Sachfragen bei Übereinstimmung auch Zustimmung für die SPD. Darin stimmen die Liberalen jetzt mit den Grünen überein, die sich „insbesondere der zu erwartenden Baupolitik des neuen Dezernenten und seiner Unterstützer von CDU, FDP und DVU“ entgegenwerfen wollen. Die CDU hat dagegen Interesse an Gesprächen über mögliche Koalitionen bekundet, steht aber derzeit noch allein auf weiter Flur. Markus Daschner