Komisch, ungelenk, beklemmend

■ Premiere in den Kammerspielen: Zwei Einakter von Beckett und Pinter  Von Michael Berger

Die Kammerspiele nehmen ihre Rolle als „moralische Anstalt“ ernst. Die Theaterleute an der Hartungstraße glauben, wir lebten „in Zeiten, da eine politisch geschärfte Wahrnehmung zur Überlebensnotwendigkeit geworden ist“. Deshalb spielen sie Becketts Katastrophe, deshalb spielen sie Pinters Noch einen Letzten. Einen Einakter und eine Miniatur, die beide die Gewalt, die Menschen durch Herrschaft angetan wird, zum Thema haben.

Beckett bleibt im Metier, am Theater: Ein Regisseur taxiert von seinem Podest im Zuschauerraum aus eine Gestalt ohne Individualität. Sie wehrt sich nicht, steht puppenhaft an der Rampe. Der Assistent biegt sie zurecht. Wird hier ein Statist zugerichtet? Baut der Spielleiter am Mahnmahl des unbekannten Opfers seiner eigenen Menschenverachtung? Wer nach dem Warum fragt, erhält bei Beckett keine Antwort. Wir sehen Theater nach der Katastrophe. Daß die Abrichtung dem Exempel dient, dürfen wir ahnen: „Das wird umwerfend sein“, kommentiert der Regisseur das Ergebnis seiner Arbeit.

Pinters Machtprobe ist weniger kryptisch. Ein Verhörspezialist, Gott in seiner abgeschotteten Welt, delektiert sich an Mann, Frau und Kind. Er will nichts aus seinen Opfern herauspressen, er will sich ihrer lediglich vergewissern. Eine infame Variante der Folter. Körperlich mißhandelt wurden sie zuvor von niederen Chargen. Der Verhörende nimmt immer „noch einen letzten Drink“, seinen Henkersschluck, gewidmet den Gequälten.

Gerade die Unbestimmtheit der Situation macht in beiden Stücken das Bedrohliche aus. Gewalt entzieht sich der Rationalität. Die Inszenierung des Regie-Novizen Jan Linders will aber noch andere Zeichen setzen: Becketts Regisseur wird von einer Frau (Justina del Corte) dargestellt. Erigierte Zigarre und Pelzmantel sollen wohl Chiffren für Bert Müller oder Heiner Brecht sein. Meint Linders, die Travestie unterstreiche das Geschlechtsspezifische des Machtwahns? Die Komik, das Ungelenke der Hosenrolle ergibt sich unfreiwillig, die schwarzen Clownsnasen der Figuren machen den Schaden nicht wieder gut.

Pinters Stück setzt Lindner schlüssiger um. Den Verhörenden (Karljürgen Rost) plaziert er in einen Designer-Sessel und vor den Computer — Folter und Erniedrigung finden mithin hier und heute statt. Daß die Figur in ihrer Unstetheit menschlich wirkt, nicht das große Böse darstellt, gibt der Szenerie ihren höchst beklemmenden Grundton.

Warum nur kündigt das Theater die Inszenierung als Beitrag zu Ausländerfeindlichkeit und Balkankrieg an? Warum wurde das Programmheft als Stasi-Akte gestaltet? Die Bezüge sind so gutgemeint wie billig. Die Wahrnehmung schärfen solche Beigaben nicht, und das Überleben der Theaterbesucher darf als gesichert gelten. Das Premierenpublikum bestand erwartungsgemäß aus Wohlmeinenden, die Zustimmung zur Aufführung war ungeteilt.