Ungewollt schwanger nach dem Urteil

■ Ein Wegweiser: Was muß eine Frau tun, wenn sie sich gegen eine bestehende Schwangerschaft entscheidet? / Die Beratungen können anonym erfolgen, eine Bescheinigung muß in jedem Fall ausgestellt werden

Nachdem das Karlsruher Urteil zum Paragraphen 218 in Kraft getreten ist, haben Frauen, die sich gegen eine bestehende Schwangerschaft entscheiden, einen langen Weg durch die Institutionen vor sich. Dem Urteil zufolge bleibt der Abbruch innerhalb der ersten drei Monate straffrei, wenn die Schwangere ihn verlangt und nachweist, daß sie sich von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen. Die Kosten für den Eingriff muß die Frau selbst tragen, wenn keine medizinische (Gefahr für Leben und Gesundheit der Mutter), embryopathische (schwere gesundheitliche Schädigung des Embryos) oder kriminologische Indikation (nach einer Vergewaltigung) vorliegt.

Zunächst sollte sie also eine der zugelassenen Beratungsstellen aufsuchen. Außer den sozialmedizinischen Diensten, die an allen 23 Gesundheitsämtern der Stadt eingerichtet sind, gibt es in Berlin 40 weitere zugelassene Beratungsstellen. Neben den konfessionell getragenen Beratungsstellen berät im Westteil beispielsweise „pro familia“, im Ostteil der Freidenkerverband, das Mütterhaus, EWA und Balance. Die Adressen gibt es bei FrauenärztInnen und in jedem Gesundheitsamt.

Die Beratungsstellen sind verpflichtet, zunächst auf Unterstützungen hinzuweisen, die Schwangere und Mütter von Staat, Kirche und Stiftungen erhalten können. Sie informieren auch über Möglichkeiten der Kostenübernahme durch das Sozialamt oder durch die Frauenkasse. Dann wird über die persönlichen Konflikte gesprochen. Die Entscheidung aber liegt allein bei der Frau. Die Beratung kann auf Wunsch anonym durchgeführt werden. Nur auf der Bescheinigung für den Arzt stehen Name, Geburtsdatum, Anschrift und Beratungstermin. Die Beratungsstellen dürfen den Beratungsschein nicht verweigern.

Listen mit ÄrztInnen, die zu diesem Eingriff zugelassen sind, sind in den Beratungsstellen oder bei der Ärztekammer erhältlich. Auch jedes Krankenhaus mit gynäkologischer Abteilung kann eine Abtreibung vornehmen. Nachdem die mindestens drei Tage alte Bescheinigung dem Arzt vorgelegt wurde, muß dieseR das Alter der Schwangerschaft per Ultraschall feststellen und ein weiteres beratendes Gespräch führen.

Über die tatsächlichen Kosten einer Abtreibung herrscht immer noch Ungewißheit. Die bisher genannten Beträge zwischen 400 und 1.500 Mark hängen auch davon ab, ob stationär oder ambulant abgebrochen wird. Die Ärztekammer Berlin plädiert dafür, nur den gynäkologischen Eingriff aus den Kassenleistungen auszugliedern, nicht aber Narkose, stationären Aufenthalt, Medikamente, Vor- und Nachsorge. Die ärztliche Gebührenordnung sieht hierfür einen Betrag von etwa 180 Mark vor. Die Krankenkassen haben sich jedoch noch nicht dazu geäußert. Da jeder Arzt mit der Patientin einen Privatvertrag abschließt, hat er fast unbegrenzten Spielraum.

Frauen mit geringem oder keinem Einkommen haben Anspruch auf Kostenübernahme durch das Sozialamt. Nach Paragraph 81 des Sozialhilfegesetzes hat eine Frau, die nach Abzug der Kosten für die Warmmiete 1.450 Mark im Westen oder 1.250 Mark im Osten verdient, Anspruch auf „Hilfe in besonderen Lebenslagen“. Mit jedem Familienmitglied erhöht sich diese Einkommensgrenze um 407 Mark. Anders als bei anderen Sozialleistungen wird hier nur das Einkommen der Frau angerechnet. Zum Sozialamt sind Nachweise über Miete, gegebenenfalls Einkommen und der Personalausweis mitzubringen. Wer den Abbruch nicht bezahlen kann, aber keinen Anspruch auf Unterstützung vom Sozialamt hat, kann sich an die Frauenkasse wenden.

Für die Zeit des medizinischen Eingriffs sowie in der anschließenden Zeit der gesundheitlichen Schonung haben Frauen Anspruch auf Lohnfortzahlung. In der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird weder die Art noch die Ursache der Erkrankung mitgeteilt. Sollten auch nach dem Abbruch noch Schwierigkeiten auftreten, stehen die Beratungsstellen weiterhin für Hilfe, Rat und Nachsorge zur Verfügung.

Auch nach dem Karlsruher Urteil können Frauen, die sofort um die Gefahr einer ungewollten Schwangerschaft wissen, wenn etwa das Kondom gerissen ist, sich die sogenannte „Pille danach“ besorgen. Dahinter verbergen sich vier Tabletten, die eine den ersten Antibabypillen vergleichbare Hormondosis enthalten. Mit der Einnahme muß aus medizinischen Gründen innerhalb von 48 Stunden nach dem Zeugungsakt begonnen werden. Nach zwei Tagen Übelkeit und Erschöpfungsgefühl setzt die Abbruchblutung ein. Die „Pille danach“ erhält frau bei den sozialmedizinischen Diensten der Gesundheitsämter und in jeder Apotheke. Corinna Raupach

Einige Adressen:

Ärztekammer Berlin, Flottenstraße 28-42, 1/51, Tel.: 40 80 60

Balance, Ärztehaus Ruschestraße 59, 1130, Tel.: 651 87 37

Beratung und Hilfe für Schwangere in Konfliktsituationen, Gruppe Süd Tel.: 834 69 23, Gruppe Nord Tel.: 456 65 73

Deutscher Freidenker-Verband, Landesvorstand Berlin, Hobrechtstraße 4, 1/44, 623 70 34

EWA, Tel.: 208 51 83

Mütterhaus, 1092, Anna-Ebermann-Straße 26, Tel.: 976 41 28

pro familia, Landesverband Berlin, Ansbacher Straße 11, 1/30, Tel.: 213 90 20